Days of future passed
Rente, so dachte ich Ende 2020, ist wie immer, nur ohne ins Büro zu gehen. Eine falsche Annahme. Grundlegend falsch. Rente ist der letzte Eintrag im Lebenslauf, die Zeit vor der letzten Tür. Rainer Maria Rilke hat es treffend in Worte gefasst.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Da hilft es nicht, lange Listen von Rezensionen zu schreiben, auch Radio und Ehrenamt sind nicht einmal Lückenfüller. Es ist eher das Gefühl, aus dem wirklichen Leben gefallen zu sein. Pläne drehen sich nur noch um vielleicht den nächsten Urlaub, einen Satz neuer Bettwäsche oder ob da oder dort doch noch ein Bild hängen sollte. Die großen Entscheidungen sind alle getroffen. Die Voraussetzungen für ein angedachtes erfülltes Dasein vortrefflich in den Sand gesetzt. Die vielen gelesenen Bücher haben nicht geholfen. Nun geht es eher um das Überleben, die immer schneller dahin rasenden Tage und Wochen zu füllen, ohne mit einem Gefühl des Unnützseins ins Bett zu gehen. Zum Glück habe ich Duna, die immer mehr ein Fixpunkt meines Lebens wird. Duna hier, Duna da, hast du dir wieder das Pfötchen eingeklemmt, dein Häufchen heute Mittag war wieder ziemlich breiig, iss jetzt deine Möhren. Ich muss dir noch die Tabletten für dein Bäuchlein bestellen. Draußen Duna, drinnen Schatzi oder Tapsi. Wer die erfüllende Liebe zu einem Tier nicht versteht, ist noch nicht wirklich alt.
Die Planungen waren klar. Viel in der Gegend herum fahren, Touren machen, lange Wanderungen, eventuell sogar drei Monate nach Wales. Fast schon dort leben. Der Brexit hat es verkackt, aber nicht nur. Alle Unternehmungen verlieren ihren Reiz, wenn sie kein Gegenstück haben. Die Ferien sind nur schön, wenn die andere Seite Schule oder Job existiert. Das Sattsein ist nur eine Wohltat, wenn man Hunger kennt. Die Auszeit nur eine Befriedigung, wenn es eine Drinzeit gibt. Mit der Rente schrumpft das Leben auf eine einzelne Dimension. Die Perspektiven fehlen und das Leben verflacht. Zeit für eine Hundirunde. Oft verflucht, aber genau so oft genossen.
Dieses kleine Bild, so schlicht und einfach es sein mag, sagt viel über das Alter aus. Der gebeugte, alte Mann, der die Unterstützung seines Stocks braucht. Der Hund neben ihm, der aufschaut, als wollte er sagen „Ich bin bei Dir, ich achte auf Dich.“ Die Bank, die in dieser Jahreszeit ihren Sinn und Zweck verloren hat. Man muss das Bild etwas auf sich wirken lassen. Verstehen kann man es eventuell nur, wenn man sich selbst in diesem alten Mann sieht. Das Bild passt genau zu Rilkes Gedicht. Nur dass Rilke wahrscheinlich keinen Hund hatte und ihn deshalb nicht erwähnte.
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