The Cotswold Hills

The Cotswold Hills

Das Jahr 2019 war von größeren Veränderungen geprägt, wie auch von einigen Ausgaben und Investitionen. Daher gibt es in diesem Spätsommer, besser eigentlich Frühherbst, nur einen Kurztrip. Wenigstens für einige Tage englische Luft und englisches Essen genießen, Tee- und Marmeladen-Vorräte auffüllen, sehen, wie sich der Brexit – oder seine Vorboten – schon auswirken, mit Boris ein ernstes Wort reden. Aktuelle Prognosen sagen knapper werdende Bestände von Festlandwaren voraus. Was also das Angebot an Tee von Twinnings und Marmelade von Wilkin & Sons nicht beeinflussen sollte. Aber es geht natürlich nicht primär ums Essen, sondern ums Wandern. Da sind die Cotswolds, in Langform Cotswold Hills, eine empfehlenswerte Adresse auf der Insel.

Die Cotswolds hatte ich das erste Mal in 2018 kennen und schätzen gelernt. Daher wiederholen sich einige Aspekte, nämlich der Ort und die Unterkunft, weil sich beide als glückliche Treffer gezeigt haben. Zwei E-Mails an Gareth auf der Lowerfield Farm bei Broadway und das Zimmer war gebucht. Noch eine E-Mail an Alex im Churchill Guesthouse in Dover bescherte mir für den Freitag vor der endgültigen Rückkehr auf den Kontinent mein lange vertrautes Zimmer Blenheim. Was das ganze Drumherum angeht, also Geschichte und Gegend, hatte ich das im Sommer 2018 schon dokumentiert. Hier die Fortsetzung, wobei ich mir dieses Mal die nicht so bekannten Ecken der Cotswolds vorgenommen hatte. The outskirts of the Cotswold Hills, so to speak. Leider nur für eine Woche. Für das nächste Jahr ist vorläufig ein Urlaub von mindestens zwei Wochen geplant, dann wieder in Nordwales, in Snowdonia, oder in den Lakelands. Wahrscheinlich oder hoffentlich mit Hund. Aber jetzt erst einmal 2019.

Immerhin werde ich schon in Willersey erwartet, zwei alte Bekannte sind vor ein paar Tagen angekommen und warten auf ihre Befreiung aus der Verpackung.

Broadway Tower

Broadway Tower

Lessons learned: Book later

Im Gegensatz zum Sommer sind im September Zimmer und Cottages reichlich zu bekommen. Bis auf einzelne Wochenenden, wenn Gareth und Sue ganze Hochzeits-Gesellschaften aufnehmen, hat die Lowerfield Farm genug Zimmer frei. Der Herbst, oder beginnende Herbst, hat auch den Vorteil leicht reduzierter Zimmerpreise, obwohl in den Cotswolds keine eindeutigen Saisons existieren. Die Cotswolds werden vom Frühling bis in den Spätherbst gerne genommen, und sei es nur als kleine Auszeit. Für die Fähren gilt das ebenso, die Preise halten das Niveau bis weit in den Oktober. Meine Fähre Calais/Dover und zurück lag bei 170 Euro. Wer wenigstens etwas sparen möchte, hat mit Duinkerke, zu Deutsch Dünkirchen, in Frankreich eine Alternative zu Calais, muss jedoch mit einem weniger dichten Plan an Abfahrtszeiten zurecht kommen. Apropos Sparen: Das britische Pfund liegt zur Zeit bei 1,10 Euro. Könnte in den nächsten Tagen noch weiter fallen, wenn der Brexit-Termin näher rückt.

Keine Änderung zum Sommer 2018 bezüglich Karten und Wanderführer. Ordnance Survey Pathfinder Guides: The Cotswolds. Passende Karte ist Ordnance Survey Explorer Map OL45 (1:25.000). Mehr dazu bei den Büchern oder im Bericht aus 2018. Da findet sich noch einiges mehr zur Geschichte und Geologie der Cotswolds.

Samstag, 21. September 2019: Es geht los

Die Anreise beginnt holperig. Statt der üblichen zweieinhalb Stunden von Laatzen nach Essen brauche ich viereinhalb. Auch hier wieder eine Erkenntnis: Traue nie den Stauumfahrungen des Navis, sondern verlasse dich auf deine eigenen Ortskenntnisse. Wäre ich dem Stau auf der A2 in Dortmund über die A40 aus dem Wege gegangen, hätte ich viel Zeit gespart.

Am Samstagmorgen dann weiter von Essen nach Calais. Zuerst läuft es so flüssig, dass ich schon fast zwei Stunden vor Abfahrt der Fähre in Calais sein soll. In Gent in Belgien meint das Navi dann, ich solle mal mitten auf der Strecke in der Stadt nun rechts abfahren. Warum? Erst Minuten später die Anmerkung, dass die A10 bei Gent wegen eines schweren Unfalls vollgesperrt sei. Danke, das hätte ich etwas früher gebraucht. Das Navi habe ich nur in Betrieb wegen der Nachrichten, navigieren könnte ich die Strecke auch volltrunken und im Halbschlaf. Danach kommt man von der Autobahn nicht mehr herunter. Über eine Stunde brauche ich, um an der Sperrung anzukommen, eine weitere Stunde, um von der dreispurigen Autobahn auf Ortsstraßen abgeleitet durch die Pampas die Sperrung zu umfahren. Damit ist meine Fährbuchung für 14:20 Makulatur, ich erwische noch gerade die Fähre um 16:15. Erst überlege ich, den Abend in Dover zu verbringen, entschließe mich dann doch zum Durchfahren. Die Autobahn M20 von Folkestone nach London ist eine einzige Baustelle mit Tempo 60, auf der M25, der London Orbital, stehe ich noch einmal geraume Zeit unnütz herum. Wie üblich auf dieser Autobahn, die hier als Synonym für Staus und Verkehrschaos ist. Um 21:20 komme ich gestresst und mental durch den Wind in Willersey an. Statt wie geplant gegen 18:00. Hier ist es übrigens jetzt im September um acht stockduster.  Kein Duschen mehr, nur noch auspacken und den Weinvorrat anbrechen.

Hätte ich mal besser gelegentlich auf die textmäßigen Verkehrsmeldungen im Navi geschaut, hätte ich die Sperrung eher gesehen und den Stau passend umfahren. Tatsächlich funktionieren diese Verkehrsmeldungen im Navi inzwischen sehr gut. Nicht nur in Belgien, auch hier in Großbritannien sind die Verkehrsmeldungen zahlreich und wohl ziemlich zuverlässig. Die Digitalisierung macht Fortschritte. Wenn man sie kennt und nutzt.

Sonntag, 22. September 2019: Snowshill Manor, Bourton-On-The-Water

Während gestern auf der Höllenfahrt zum größten Teil die Klimaanlage im Auto lief und die Sonne von einem blauen Himmel herunter strahlte, ist für den Sonntagvormittag Regen angesagt. Stimmte dann.

Snowshill Manor

Snowshill Manor

Bei noch trockenem Wetter suche ich Snowshill Manor. Soll hier in der Nähe sein. Ich finde auch in Broadway ein größeres Hinweisschild, folge ihm auf schmalen, einspurigen Straßen den Hügel hinauf. Erwartet hatte ich nur ein kleines Häuschen, in dem ein spleeniger Engländer allen möglichen Plunder gesammelt hat. Vorfinden sollte ich eine recht große National Trust-Location, die auch mehr als nur gut besucht ist. Mit dem üblichen Tea Room, der neben vorzüglichem Cappuccino auch vielfältiges Essen anbietet, einem Shop, einem sehr weitläufigen Garten und eben dem Herrenhaus mit der Sammlung. Mister Wade, der Mensch, der das Anwesen 1919 kaufte, restaurierte und als Hort für seine frenetische Sammelwut nutzte, hatte auch Sinn für Gärten. Besonders liebte er Äpfel. Im Garten stehen Bäume der unterschiedlichsten Apfelsorten, man glaubt kaum, wie viele Sorten es gibt. Da mein Slot zum Besuch des Hauses erst nach zwölf dran ist, nutze ich das Angebot des Tea Rooms für eine Backkartoffel und reichlich Kaffee. Dann ist meine Zeit gekommen. Rüber zum Herrenhaus.

Snowshill Garden

Snowshill Garden

Was dieser Mann da gesammelt hat, und zwar alles, was ihm vor die Füße kam, sprengt jede Vorstellung. Er hat schlichtweg ohne Sinn und Verstand  gesammelt, von Fahrrädern über Kinderwagen, asiatische Hausaltäre, Werkzeuge, Möbel, Waffen, Uhren, Gläser und so nebenbei 2.200 Theaterkostüme. Die sind aber in einem Museum untergebracht, weil sie sonst zerfallen würden. Der Satz „Das Auge findet keinen Halt“ ist hier in die Wirklichkeit umgesetzt. Gleichzeitig ist das Haus deshalb interessant, weil die vollständig erhaltene Einrichtung den Übergang in die Moderne am Anfang des 20. Jahrhunderts schön aufzeigt. Die erste Elektrifizierung bis zum Heißwasserboiler, Mr. Wade hatte schon fließend kaltes und warmes Wasser. Die Anlage ist wirklich weitläufig und erlebnisreich. Dazu die immer netten Leute vom National Trust und ihre ausgiebigen und fachkundigen Erläuterungen. Schon mal ein 31 Kilogramm schweres Gesangbuch mit integrierter Bibel gesehen? Noch handgeschrieben, obwohl der Buchdruck gerade erfunden war? Dort zu finden. Snowshill Manor ist einen Besuch wert. Man glaubt sonst nicht, wohin Sammelwut führen kann. Dazu sieht man, was damals schon alles Modernes existierte und doch noch im Alten verhaftet war, wie Kinderwagen und Fahrräder mit Stahlreifen. Inzwischen hatte es nebenbei mal reichlich geregnet, aber da war ich gerade beim Mittagessen, etwas später hörte es wieder auf und blieb weitgehend trocken. Kalt war es aber nie, wir hatten immer so zwischen angenehmen 18 und 20 °C.

Bourton-On-The-Water

Bourton-On-The-Water

Da liegt jetzt noch der Nachmittag vor mir, fürs Wandern ist es zu unbeständig und nass. Mir fällt der Ort Bourton-On-The-Water ein, angeblich das Venedig der Cotswold. Auch hier wieder ein Scheitern der Erwartungen. Statt eines pieseligen, verträumtes Dorfes erwartet mich ein quirliges und dicht bevölkertes Örtchen mit gefühlt 100.000 Besuchern. Alle Straße sind belegt, ebenso die Cafés und Restaurants. Und Bourton ist wirklich ein ausgesprochen nettes Örtchen, typisch Cotswolds, wenn auch nicht mit der Atmosphäre wie Chipping Campden oder Bibury. Der Ort ist von einem breiten und vielen schmalen Kanälen durchzogen, die Häuser typischer Cotswolds-Stil, es lohnt sich auch die kleinen Nebenstraßen zu durchforsten und viele nette Kleinigkeiten zu finden. Wie ein merkwürdiger Kauz, der ein riesiges Fass auf Rädern mit einem Pferd Typ „Gypsy Cob“ durch den Ort zieht. Der Mann wohnt wirklich darin, leider bekomme ich ihn nur von hinten aufs Bild, weil das Leitpferd unbedingt weiter möchte. Auch Bourton-On-The-Water würde ich in die Kategorie der bemerkenswerten Orte aufnehmen.

Etwas nass geworden, aber der Tag war angenehm und gut gefüllt. Im hiesigen Supermarkt einen Vorrat an Brötchen, Chutneys, Senf und Gurke angelegt für die Selbstversorgung. Ach ja, nicht das gleiche Zimmer in der Lowerfield Farm wie im letzten Jahr, sondern eins mit Himmelbett, richtiger Dusche und leider ohne großen Schreibtisch. Dafür freudig und lustig von Sue und Gareth empfangen. Day #1 done well. Draußen ziehen wieder dunkle Wolken auf, doch wenigstens der morgige Vormittag soll trocken und freundlich bleiben. Dann geht es auf Tour.

Lessons learned: You never can pick up the same thread again

Ein echter Wohnwagen

Ein echter Wohnwagen

Eine ähnliche Erfahrung hatte ich 2005 und dann 2006 schon einmal, auch wenn ich sie damals nicht so deutlich greifen konnte. Nach einem wunderschönen Urlaub im Old Schoolhouse in Penmaen, The Gower, Südwales fuhren wir im nächsten Jahr noch einmal dorthin. Weil es ja dort so schön war. Doch 2006 war nicht wie 2005. Nicht, dass es schlecht war oder langweilig. Es war anders, es hatte seinen Neuwert verloren, es war eine Rückkehr, kein Neuentdecken. Das ist mir jetzt in den Cotswolds ähnlich ergangen. Natürlich ist es toll, wieder diese wundervolle Gegend zu erleben, das großartige Frühstück bei Sue und Gareth zu genießen, sich im Supermarkt in Broadway auszukennen und zu wissen, wo es den billigsten Diesel gibt, mit der Musik von Jethro Tull oder Gentle Giant durch die Baumtunnel zu brausen. Wieder habe ich gerne den Broadway Tower gesehen, den alten Teil des Ortes rund um die Broadway Mill und Broadway House. Aber etwas war anders.

Ich bin anders. Meine Lebenssituation in 2019 ist eine andere als in 2018. Meine Zukunft ist eine andere, mein Lebensgefühl, die Fragen, die mich jetzt beschäftigen. Es ist ein anderes Zimmer, selbst der Hund hier ist nun ein anderer, der vom letzten Jahr ist gestorben. Damit ändert sich die gesamte Wahrnehmung, man sieht die Dinge in einem anderen Licht. Es ist alles gut und schön hier, doch eben anders als in 2018. Selbst der Verlauf, denn im letzten Jahr ging es ja noch weiter nach Wales in die Brecon Beacons, ebenso Neuland. Ich würde deshalb nicht generell widersprechen, das gleiche Reiseziel noch einmal zu wählen. Aber für das kommende Jahr denke ich, dass ich eben nicht nach Grasmere in den Lakelands fahren werde, sondern lieber nach Ullswater, in Wales nicht nach Llandudno oder Caernarfon, sondern mal nach Aberystwyth oder Llyn. Weil man den alten Faden nicht mehr aufnehmen kann, er ist Vergangenheit, er hat seine Zeit gehabt und die ist nicht reproduzierbar. Nicht weil sich der Ort verändert hat, sondern weil ich mich verändert habe. Trotzdem werde ich die Tage hier in den Cotswolds genießen. Auch bei herbstlichem Wetter.

Montag, 23. September 2019: Adlestrop, Cornwell and Oddington

Das ehemalige Bahnhofsschild

Das ehemalige Bahnhofsschild

Am Nachmittag soll es regnen, aber bis dahin freundlich und trocken bleiben. Dann mal eine größere Runde, die im Dörfchen Adlestrop beginnt, durch die englische Landschaft führt und dabei einige weitere Orte und markante Punkte streift. Pathfinder Guides, The Cotswolds, Tour #19. 12 Kilometer in vier Stunden, bei der hügeligen Strecke ein realistischer Wert. Adlestrop war einmal eine wichtige Bahnstation, bis die Strecke 1960 stillgelegt wurde. Das große Ortsschild stammt noch von diesem Bahnhof. Die Tourbeschreibung scheint schon ein paar Jährchen alt zu sein, denn aus den damaligen Feldern am Anfang der Wegbeschreibung sind frisch eingezäunte Pferdewiesen geworden. Also nix mit quer drüber, sondern bis zur Fern Farm hoch und dann improvisieren, bis ich doch wieder auf den Macmillan Way komme. Eher etwas Glück als Können, denn die Wegbeschreibung hat noch so einige Ungenauigkeiten, die einige Kilometer Umwege und Irrungen bedeuten. Obwohl ich die Wanderführer der Pathfinder-Serie von Ordnance Survey inzwischen sehr schätzen gelernt habe, hängt die Genauigkeit wohl vom Alter der Touraufzeichnungen ab. So können Schilder nicht mehr existieren, Wege umbenannt worden oder sogar Häuser inzwischen verschwunden sein. Die Fähigkeit Karten lesen zu können ist also auch im Zeitalter digitaler Navigation noch immer eine hilfreiche Fähigkeit. Denn zum Glück ist in der Beschreibung in den Pathfinders immer der entsprechende Ausschnitt aus den Explorer Maps im Maßstab 1:25.000 enthalten. Dazu ist ein Kompass immer ein guter Begleiter.

Chastleton House

Chastleton House

Erstes Highlight ist Chastleton House and Church. Das große Anwesen wurde von einem Wollhändler im frühen 17. Jahrhundert gebaut, die Kirche ist wesentlich älter und geht auf Fundamente einer normannischen Kirche zurück. Innen ist sie sehr aufwändig renoviert und es stehen ein halbes Dutzend großer Blumensträuße auf Altar und im Schiff. Die Grabsteine auf dem Friedhof haben wohl zum Teil Jahrhunderte auf dem Buckel und sind nicht mehr lesbar. Das jüngste Grab stammt dann wieder aus dem Mai 2018. Das ist ein Unterschied zu Deutschland, dass man hier die Geschichte seines Landes und seines Volkes so lange zurück verfolgen kann. Heute gehört Chastleton House dem National Trust, ist aber zur Zeit wegen Umbau geschlossen. Es geht weiter bergauf und bergab, über Felder und Wiesen. Noch ein Highlight ist Chastleton Barrow, wo Reste eines Forts aus der Bronzezeit zu bestaunen sind. Die Wege sind trotz des Regens gestern und in der Nacht erstaunlich trocken, nur selten gibt es mal ein paar Schlammpfützen, die man leicht umgehen kann. Überhaupt ist die Tour ziemlich reich an Abwechslung, zum Teil geht es sogar durch Wälder, durch Farmen hindurch oder eben durch kleine Orte und Ansiedlungen.

Schöner Springplatz

Schöner Springplatz

Nächster kleiner Ort ist Cornwell, am Hang gelegen mit einigen Farmen, es folgt die Daylesford Hill Farm, ein Reiterhof mit gigantischen Ausmaßen und auch Biohof. Ich habe in Deutschland noch nie eine so riesige Fläche mit Ställen und Koppeln gesehen, alles pikobello in Schuss, alle Ställe und Speicher gestrichen und aufgeräumt. Die Wege sind entweder asphaltiert oder mit Rindenmulch abgedeckt, wegen der Pferde. Eine beeindruckende Anlage. Selbst der Springplatz sieht aus, als würde er gar nicht benutzt und wäre nur zum Angeben da. Inzwischen ziehen doch am Mittag dicke dunkle Wolken auf, ein paar Tropfen drohen mehr zu werden. Ich kürze den Weg zu einem kleinen Teil zurück nach Adlestrop ab. Doch kurz vor der Ankunft am Ausgangspunkt halte ich meine Rucksackmahlzeit auf einer kleinen Bank in der Sonne ab. Adlestrop ist ansonsten ein typisches verschlafenes Örtchen in den Cotswold, jedoch immer mit gepflegten Häusern und Gärten, Blumenampeln an den Häusern und Porsche oder großem Landrover vor der Tür. Hier zu wohnen muss man sich leisten können. Die Preise für Cottages sind gesalzen, selbst hier in der Einöde. Immobilienhändler in den größeren Orten rufen für solche Häuser wie hier in Adlestrop locker 500.000 Pfund auf. Daran merkt man den Einfluss der reichen Londoner, die hier am Wochenende residieren.

Caffee Nero Chipping Norton

Caffee Nero Chipping Norton

Es bleibt doch trocken und ich lege noch Abstecher in zwei Orte ein. Chipping Norton hat mit Chipping Campden nur einen Teil des Namens gemeinsam, ansonsten hat Chipping Norton eher eine städtische Anmutung, mit einer belebten Geschäftsstraße, einigen Geschäften und einem gut sortierten Haushaltsladen, in dem ich endlich eine Schuhbürste für den groben Dreck bekomme. Dazu hat die Größe des Ortes den Vorteil, dass es hier eine Filiale meines Kaffee-Lieblingsanbieters gibt, Caffee Nero, der Cappuccino wird durch einen Oat & Raisin Cookie ergänzt. Besonders viel lässt sich in Chipping Norton sonst nicht unternehmen. Also weiter, was sich noch so findet. Der nächste Ort ist dann Moreton-In-Marsh, nur ein paar Kilometer weiter. Dort gibt es zwar ein paar Geschäfte, Pubs und Restaurants, aber das war es auch schon. Ich lasse Moreton unbesichtigt und entschließe mich zu einer frühzeitigen Tour nach Evesham. Denn dort gib es einen Tesco, einen Morrison und einen Waitrose.

Was nehmen wir denn heute mal?

Was nehmen wir denn heute mal?

Der zuerst angefahrene Tesco Superstore, also ein besonders großer Laden, hat nur Kleinstpackungen des Twinning English Breakfast Tea, nun gar keine Tiptree-Marmelade mehr und die kleinen Dosen Baked Beans von Heinz sind auch ausverkauft. Scheinbar haben sich Tesco und Wilkins in die Haare bekommen, wie Edeka und Heinz damals. Der Waitrose wenige Kilometer weiter beschert mir dann alles in Hülle und Fülle. Den Laden habe ich im letzten Jahr noch im Bau gesehen. Waitrose scheint sich über die Zeit zu meinem Stammladen zu entwickeln, zum ersten Mal hatte ich ihn in Petersfield in den South Downs als Einkaufsquelle. Sie haben den Vollrohrzucker von Billington, die Heinz Baked Beans in kleinen Dosen, Twinning Tee und reichlich Tiptree-Marmelade. Die Kassiererin schaut einen Moment auf das Band und meine Einkäufe, stutzt und fragt dann, ob das was mit dem Brexit zu tun habe. Bei diesen Einkäufen hier komme ich immer wieder in Erklärungsnot, stoße dann aber doch auf viel Verständnis, wenn ich die deutschen Preise dieser Sachen erzähle. Damit ist dieser Teil der Aufgabenliste schon abgearbeitet. Dafür hat es angefangen zu regnen, zwar nicht sehr stark, aber genug für ein Ende außerhäusiger Unternehmungen. Morgen dann wieder.

Dienstag, 24. September 2019: Cheltenham, Tewkesbury

Schön, nach Monaten seniler Bettflucht einmal erst vom Handy um acht Uhr geweckt zu werden. Weniger schön der Blick aus dem Fenster. Es regnet in Strömen. Also keine Touren, dafür der Versuch, ein paar über den Weg gelaufene Ortsnamen mit konkreten Eindrücken zu verbinden.

Cheltenham

Cheltenham

Cheltenham stellt sich auf seiner Website als tolle Einkaufsstadt dar. Tatsächlich ist Cheltenham als Kur- und Erholungsort recht bekannt und gut gelitten. Die Innenstadt entpuppt sich dann entgegen der Darstellung seitens der Gemeinde als eher überschaubar. Ein erworbener Stadtplan hilft zwar zur ersten Orientierung, wird aber schnell überflüssig. Dafür hört es jetzt auf zu regnen. Lassen muss man Cheltenham, dass die Innenstadt sehr vielfältig ist und im Angebot interessant. Wichtigste Einkaufsstraße ist The Promenade, die aber nur ca. 300 oder 400 Meter lang ist. Dafür durch die Breite und die Bäume sehr angenehm. Es sind auch nicht Cartier oder Rolex, die die Läden belegen, sondern lokale Einzelhändler für Tee, Schmuck, Kleidung, Kunst oder sonstige Angebote. Aber eben einen Tick teurer als sonst, dafür jenseits von 08/15, sehr ausgesuchte und schöne Sachen. Trotz heftiger innerer Gegenwehr komme ich nicht an einer Teekanne vorbei, streiche als Ausgleich das eh teure Frühstück in Dover. Dafür bekomme ich nun für drei Pfund bei Wilko eine große Stapelkiste mit Deckel für meine Einkäufe im Waitrose. Unter dem Strich also sogar noch gespart. Cheltenham ist selbst in vielen Seitenstraßen recht gepflegt, aber doch überschaubar. Alles sehr nett, aber nicht umwerfend. Zum Shoppen aber sicher eine gute Gelegenheit.

Visitor Guide

Visitor Guide

Der nächste nur dem Namen nach bekannte Ort ist Tewkesbury. Gerade mal zwölf Kilometer von Cheltenham entfernt, ist Tewkesbury zum Einkaufen aus meiner Sicht in gewisser Weise die bessere Wahl. Für seine Ortsgröße hat Tewkesbury mehrere längere Straßen mit Geschäften, ein breites und alltagstaugliches Angebot, dazu viele sehr alte Häuser, die das Stadtbild prägen. Die Ketten wie M&S oder H&M sind hier völlig außen vor, dafür ist vom Bestattungsunternehmen bis zur Fleischerei und zum Secondhand-Buchladen alles vertreten. Tewkesbury ist näher am Alltag. Dazu hat Tewkesbury etwas, was Cheltenham nicht hat: eine der größten Kirchen in Großbritannien. Aber eben Kirche, nicht Kathedrale. Deshalb ist Tewkesbury auch nicht City, sondern nur Town. Unter dem Strich gefällt mir Tewkesbury wegen seiner Einfachheit besser als Cheltenham, denn auf teure Bilder und Teekannen kann ich gerne verzichten. Leider habe ich in Cheltenham schon ein Sandwich bei Costa verdrückt, hier in Tewkesbury gibt es einige ansprechende Läden mit Fish and Chips. Ist das englische Nationalgericht dann auf den Laden in Broadway vertagt, vielleicht morgen.

Begonnen wurde der Bau der Kirche, die ursprünglich zu einem Benediktinerkloster gehörte, schon 1087. Geweiht wurde sie erst 1211, obwohl da die Mönche schon längst eingezogen waren. Unter Heinrich dem VIII. und seiner Säkularisierung wurde das Kloster aufgelöst und dieKirche für 587 Pfund an die Gemeinde verkauft. War ein fairer Preis damals, heute kostet diese Kirche die Gemeinde fünf Pfund am Tag. Seitdem ständig renoviert und über die Jahre mit sehr sehenswerten Glasfenstern ausgestattet. Tatsächlich ist es eine mächtige Kirche mit  den Abmessungen einer Kathedrale. Aber der Bischof saß eben in Worchester. Noch ein Highlight der Kirche durfte ich am Ende einer Andacht mitnehmen, die bei meiner Ankunft kurz vor dem Ende stand. Die Orgel stand mal in Oxford und in anderen Orten, wurde aber im 17. Jahrhundert hierher gebracht. Ich habe selten Orgeln mit einer solchen Klangfülle und einem solchen Volumen gehört. Fast eine dreiviertel Stunde verbringe ich in Tewkesbury Abbey. Wieder beeindruckt mich, wie hier englische Geschichte seit 1100 quasi zum Anfassen vor einem liegt. Der Eintritt in die Kirche ist frei, selbst fotografieren darf man auch. Die Website der Kirche ist sehr nett und informativ gestaltet. Inzwischen kommt sogar mal die Sonne zum Vorschein. Ich fahre zurück nach Broadway, leiste mir noch im Leaf & Bean einen Scone mit reichlich Clotted Cream und Erdbeermarmelade und einen Cappuccino. Hoffentlich morgen mal wieder trocken. Dafür ist es hier nie kalt gewesen.

Lessons learned: Why?

Ein Souvenir aus Tewkesbury Abbey

Ein Souvenir aus Tewkesbury Abbey

‚tschuldigung, aber ich muss das Thema noch einmal quälen, weil ich es immer noch nicht verstehe und es mir heute in Tewkesbury, aber auch in Evesham in den Supermärkten wieder aufgefallen ist. Warum werden hier die Fußgängerübergänge vor roten Ampeln freigehalten? Und auch die Ausgänge von Seitenstraßen? Warum begegnen einem Menschen im Supermarkt, lächeln einem zu oder grüßen sogar? Warum gibt es im Warner’s Budgens, dem Supermarkt hier in Broadway, vor der einzigen geöffneten Kasse eine friedliche und rücksichtsvolle Warteschlange, ohne Vordrängeln oder Diskussionen, wer zuerst da war? Warum werden ohne Not und ohne Vorschrift vor roten Ampeln Autos aus Seitenstraßen einfach heraus gelassen und man bedankt sich mit einem kurzen Handzeichen? Warum betritt man einen Laden mit Haushaltswaren und hat sofort einen Verkäufer an seiner Seite, ohne das Gefühl, nun gezwungen zu sein, etwas zu kaufen? Woher kommt diese Leichtigkeit und selbstverständliche Freundlichkeit? In den Straßen von Tewkesbury und Cheltenham geht es entspannt zu, 95% der Leute machen ein freundliches Gesicht, niemand hetzt oder hat es sonderlich eilig. Die Straßen sind sauber, keine Zigarettenkippen und Kaugummis auf den Bürgersteigen. Hundehäufchen liegen lassen ist schwerstens verpönt, bis zu 500 Pfund Strafe werden angedroht, man sieht auch keine in den Straßen, während in Deutschland in den Orten die Wiesen so zugeschissen sind, dass man sie nicht mehr betreten kann. Viele Leute sind mit Coffee-To-Go unterwegs, aber fast alle haben Mehrfachbecher. Ist das alles Fake? Nein, ist es nicht. Fairplay ist hier selbstverständlich, der Schmier einer funktionierenden Gesellschaft. Warum geht das in Deutschland nicht so? Wie viel entspannter kann das Leben dann sein?

Natürlich sind das keine 100%. Im Waitrose stand vor mir ein Päärchen mit seiner kleinen Tochter. Ihren sehr umfangreichen Einkauf stopften sie in sieben (!) Plastiktüten, obwohl inzwischen eine Tüte 25 Pence kostet. Da ist eine Menge Sparpotenzial bei den beiden vorhanden. Es gibt auch Autofahrer, die auf den Autobahnen locker mit 170 unterwegs sind. Oder einem auf der Landstraße auf der Stoßstange hängen, weil man die vorgeschriebenen 80 Stundenkilometer einhält. Aber das sind Ausnahmen, die einem nur alle paar Tage passieren. In Deutschland ist das inzwischen umgekehrt, bei meinen 80 Kilometern täglich auf der A7 zwischen Hannover und Laatzen kann ich da schon Geschichten erzählen.

Mittwoch, 25. September 2019: Blockley and Norcombe Wood, Hidcote, Chipping Campden

Blockley

Blockley

Ok, es soll wechselhaft bleiben, ich gehe aber trotzdem los. Pathfinder Guides, The Cotswolds, Tour #5. Blockley ist ein gar nicht mal so kleines Dorf nicht ganz so weit entfernt von Broadway, hat sogar einen kleinen Supermarkt, ein Post Office und noch eine richtige Handwerks-Bäckerei. Ein schönes typisches Cotswolds-Dorf eben. Parken ist etwas schwierig, man muss sich irgendwo ein Plätzchen entlang der Straße suchen, was bei den schmalen Straßen nicht ganz simpel ist. Ab der Kirche geht es erst durch den Ort, dann durch Felder und Wälder. Es nieselt, aber mein britischer Regenmantel hält mich trocken. Die Wege gerade durch die Felder haben unter dem Regen gelitten, so sehen meine Schuhe schon bald übel aus, der lehmige Matsch klebt wie Hölle. Erst in den Wäldern von Norcombe wird es besser, die Wälder sind nämlich uralt, keine Forstwirtschaft, sondern Urwald. Dafür sind die Wege schön mit Bucheckern ausgestreut. Der Niesel hört bald auf, sogar ein paar Sonnenstrahlen kommen durch. Wie gewohnt keine überraschende Tour, dafür ist der Wald ungewöhnlich, weil eben uralt und reine Natur, auch im Unterschied zu vielen deutschen Wäldern. Kurz vor Ende der Runde trotzdem ein unerwartetes Highlight. Ich quere einen kleinen Bach mit einem Sandbett, genau so hoch Wasser, dass ich mich hinein stellen kann und die Schuhe mit etwas Nachhelfen mit den Händen wieder sauber werden. Nun sind sie zwar nass, aber eben sauber. Ich habe nämlich noch etwas vor. Das britische Nationalgericht wartet auf mich.

Russell's Fish & Chips

Russell’s Fish & Chips

Um viertel von eins bin ich zurück in Broadway. Auf den kleinen Parkplatz in der Church Street und nur quer über die High Street zu Russell’s Fish & Chips. Deshalb nämlich nur eine kleine Tour heute, ich habe einen dringenden Bedarf nach einem anständigen Mittagessen. Den Fisch gibt es wie üblich wahlweise als Rotbarsch, Seelachs und Scholle. Dazu vegetarische Alternativen für die richtigen Vegetarier. Ich nehme den Rotbarsch, dazu Chips und Mushy Peas, gestampfte Erbsen. Chips sind etwas anderes als Pommes Frites. Chips sind wesentlich größer und dicker, eher hell frittiert und innen weich und saftig. Pommes sind einfach, Chips muss man können. Nur gut fünf Minuten nach der Bestellung habe ich den Teller vor mir, alles dampfend heiß. Nein, keinen Teller, sondern ein kleines, mit Papier belegtes Tablett, das Papier ähnelt Zeitung, Traditionen werden gerne hochgehalten. Nun frage ich mich aber, ob die Bedienung mich falsch verstanden hat. Ich wollte nämlich keinen Fischteller für zwei Personen. Aber die Portionen auf den anderen Tischen sehen genau so aus. Den Fisch schaffe ich so eben, die Chips nicht, die Mushy Peas koste ich, bekomme sie aber auch nicht auf. Ich bin abgefüllt bis zum Eichstrich, beinahe ist mir übel. Aber der Fisch war wirklich allererste Sahne, außen knusperig, innen saftig und genau durch. Die Mushy Peas sind ebenso hausgemacht, mit einer Spur Minze. Ungewohnt, aber ausgesprochen lecker. Abgefüllt für heute.

Hidcote Garden

Hidcote Garden

Was mache ich mit dem Rest des Tages? Sehen, wie Hidcote Garden im Herbst aussieht. Ich lasse mir dieses Mal mehr Zeit, sehe mir die ganzen Erklärungen über die Entstehung des Gartens an und nach welchen Prinzipien er angelegt ist. Diese heißen Arts & Craft, eine Entwicklung zwischen 1890 und 1930 in England. Es ist ein Satz von Regeln, wie welche Pflanzen gesetzt werden, wie sie durch Hecken getrennt werden und was dabei alles zu  beachten ist. Darüber haben einige Leute dicke Bücher geschrieben. Noch immer blühen jetzt im September viele Blumen, intensive und ständig wechselnde Düfte durchziehen den Garten. Es ist tatsächlich einer der schönsten Gärten Englands, noch immer grün und satt, es braucht einfach seine Zeit, alle Ecken zu durchforsten und zu entdecken. Hauptaktivität des Teams vom National Trust ist im September die Vorbereitung der Rasenflächen auf den Winter. Auch das wird genau erklärt, welche Dünger notwendig sind und welche Rasenhöhe die richtige, und dass man immer noch forscht. Neu gepflanzte Stellen im Rasen werden mit durchsichtiger Folie abgedeckt, damit die Feuchtigkeit erhalten bleibt und die Tauben die Samen nicht aufpicken. Bis die Samen eben ausgetrieben und Bodenhaftung haben. Gute Idee, wäre ich gar nicht drauf gekommen. Überhaupt wird immer noch viel geschnitten und gestutzt. Das machen beim National Trust überwiegend Freiwillige und Ehrenamtliche. Wie auch den hier sehr umfangreichen Pflanzenshop betreiben Leute aus der Umgebung.

Chipping Campden

Chipping Campden

Dieses Mal verbringe ich mehr Zeit in Hidcote. Krönender Abschluss des Besuches sind ein Cappuccino und eine italienische Bio-Zitronenlimo im Tea Room. Da ich gerade in der Gegend bin, mache ich noch einen Abstecher nach Chipping Campden. Auch dieses Örtchen hat gegenüber dem letzten Jahr nichts an Reiz und Atmosphäre verloren, ich stöbere noch etwas durch die Läden, verkneife mir aber Einkäufe, schließlich konnte ich mich im National Trust-Shop in Hidcote mal wieder nicht beherrschen. Nix Großes, aber eben hier und da eine Kleinigkeit. Das Wetter blieb den ganzen Tag über wechselhaft, mal nieselte es, mal schien die Sonne, mal war es bedeckt und grau. Mit diesem Wetter muss man in England um diese Zeit leben, dafür treibt die beständige Feuchtigkeit und relative Wärme Pflanzen und Bäume zu Hochleistungen. Wie in Hidcote Garden zu sehen. Inzwischen hat sich mein Magen vom übermäßigen Mittagessen wieder etwas erholt. Ich bin aber immer noch pappsatt. Morgen ist nun mein letzter Tag hier in den Cotswolds, das Wetter soll wechselhaft bleiben, doch ich bin ja bestens vorbereitet. Zum ersten Mal erwischt mich wegen der baldigen Abfahrt eine gewisse Wehmut. Ich hätte gut und gerne noch drei oder vier Monate anhängen können.

Donnerstag, 26. September 2019: The disaster tour

Am Morgen Sonnenschein von einem babyblauen Himmel. Nur ein paar Schleierwolken sind zu sehen. Dann doch noch eine Gelegenheit zu einer letzten Tour bei endlich gutem Wetter. Auch wenn es kühler ist als an den zurückliegenden Tagen. Die Sonne verzog sich leider dann wieder.

Neue Tore, Farbe noch feucht

Neue Tore, Farbe noch feucht

Die Tour  #11, The Guitings and Guiting Wood, bietet sich an, ist nicht weit von Broadway entfernt und mal in einer Ecke, in der ich noch nicht war. Die Tour startet von einem kleinen Parkplatz, der nicht ganz einfach zu finden ist. Schließlich finde ich aber die Critchford Lane, die noch zu Guiting Power gehört. Wieder typisch Cotswold Hills, geht es erst mal lang und steil einen Hügel hinauf, dann biegt der Weg in den Guiting Wood ab. Ein richtiger Hexenwald, teilweise ist der Wald so dicht, dass man nicht hinein sehen kann. Matschig sind die Wege auch, wegen des Regens gestern, aber nicht so schlimm wie bei Blockley. Als ich aus dem Wald herauskomme, ist von dem Weg, den ich angeblich nach links einschlagen soll, nichts zu sehen. Dafür weit und breit Zäune, die eine riesige Reitanlage namens Farmcote Estate abgrenzen. Ich nehme mal an, dass ich erst später abbiegen muss und gehe weiter geradeaus. Bis ich auf eine Straße treffe, die dort gar nicht sein sollte, laut Karte. Der Versuch, mit Google Maps zu navigieren, scheitert, das Programm schickt mich auf eine Schleife über drei Meilen, dann stehe wieder da, wo ich aus dem Wald heraus gekommen bin. Nun versuche ich es selbst, finde einen Public Path ungefähr in die Richtung, von wo ich gekommen sein müsste. Auch hier mitten im Wald neu angelegte Straßen und Schotterwege, nagelneue Zäune und Hinweise, dass das Privatgelände sei. Erst später stoße ich auf den Wardens Way, weiß jetzt wieder, wo ich bin, und finde zum Auto zurück. Nach mindestens fünf Meilen Lauferei auf Straßen. Hügel rauf und Hügel runter.

Am Ende erklärt sich die Sache. Diese neue Reitanlage und ihre Zufahrten haben sämtliche Wanderwege geschluckt oder durch Schotterstrecken für Autos ersetzt. Somit geht die Tour nicht mehr wie in der Beschreibung. Werde ich dem Ordnance Survey-Verlag auch schreiben. Wäre eine nette Runde gewesen, hat jedoch nicht sollen sein. Dafür sind meine Beine nun matschig, die Schuhe auch. Zurück nach Broadway, noch ein Mitbringsel für Hundi kaufen. Morgen dann der Rückweg, hoffentlich entspannter als die Anfahrt. Am Freitag von Broadway nach Dover, am Samstag nur um die Ecke auf die Fähre nach Calais und weiter nach Essen, am Sonntag Rücksturz nach Nienhagen. Mal sehen, was mich so erwartet.

Freitag, 27. September 2019: Zurück in Dover

Bis auf etwas Stau in Oxford bin ich in vier Stunden Fahrzeit zurück am Kanal. Also sind drei Stunden, wie das Navi meinte, doch eher hypothetisch. Dafür standen die Autos auf der M25 auf der Gegenseite, im wahrsten Sinne des Wortes, meilenlang. Die Rushhour in London beginnt am Freitag schon gegen 13 Uhr. Hatte ich also Glück.

Pier und neue Marina

Pier und neue Marina

Der Umbau in Dover geht weiter, auch wenn noch nicht alles fertig ist. Die Western Docks machen Fortschritte, komplett ist der Umbau erst im nächsten Jahr, wie mir ein Bauarbeiter sagte. Man kommt hier doch sehr schnell in Gespräche. Bilder dazu in der Gallerie. Trotzdem hat sich wieder einiges verändert. Das Einkaufszentrum ist noch weiter ausgebaut worden, dort gibt es jetzt einen Costa, Mitbewerbe von Caffee Nero, für Kaffee, Kuchen und Sandwiches, einen Gregg’s auch für Kuchen und leichtes Abendessen oder Mittag, ein Schnellrestaurant nur mit Hühnchengerichten, sowie noch zwei Supermärkte. Einen großen Burger King gibt es jetzt hier noch, wer es braucht. Mein ehemaliges Stamm-Pub The White Horse hat nun auch Küche, einschließlich vegetarischer und veganer Gerichte. Es sieht in Dover überhaupt noch ein bisschen sauberer aus als 2018. Der Grund dafür ist ein recht einfacher. Vor ein paar Jahren hat Dover eine schnelle Zugverbindung nach St Pancras in London bekommen, man ist in einer Stunde da. Da die Immobilienpreise in London derart durch die Decke gegangen sind, und auch in Maidenhead kaum noch etwas zu bekommen ist, orientieren sich die Leute inzwischen bis nach Dover herunter. Arbeiten dann ein paar Tage im Homeoffice und fahren dann mit dem Zug nach London ins Büro. Mit dem Auto muss man von Dover bis in die Londoner Innenstadt mindestens zwei Stunden Fahrzeit rechnen. Zudem ist es hier unten am Kanal deutlich ruhiger und weniger voll als in der britischen Hauptstadt.

Jetzt eine Raucherecke im Churchill Guesthouse

Jetzt eine Raucherecke im Churchill Guesthouse

In Dover bekommt man einfache Häuschen zur Zeit noch ab 200.000 Pfund, Tendenz in den letzten zwei Jahren steigend. Steckt man noch 50.000 Pfund für Renovierung hinein, hat man ein nettes Häuschen und ist in 15 Minuten draußen im Grünen der kentischen Landschaft. Nun haben die Neuzuzügler aber keine Lust, in so einer grottigen Stadt ohne akzeptable Einkaufsmöglichkeiten zu wohnen. Bis vor einigen Jahren war Dover so gut wie tot. Also haben sie ordentlich Druck gemacht, schließlich bringen sie das Geld in den Ort. Stadt und Kommune haben in die Taschen gegriffen und Dover wird aufpoliert, sowohl in der Optik als auch in der Infrastruktur. Das alte Hochhaus der British Telecom wurde abgerissen, das alte verlotterte Parkhaus auch, dort entstanden das Einkaufszentrum, ein Travel Lodge sowie eine Seniorenresidenz, die 2019 noch im Bau ist. Der große Supermarkt von Morrison ist noch recht neu, drum herum weitere Einkaufsmöglichkeiten für Möbel und Tierbedarf. Nur mein altes Churchill Guesthouse verändert sich wenig. Obwohl es mit Alex nun im Garten eine Sitzecke gibt, da darf man sogar rauchen. Was damals mit Alastair undenkbar war. Nur so kleine Veränderungen, aber man merkt, dass Alex eben anders denkt als Alastair, die Gästeanmeldung auf dem Tablet, Türen werden frisch gestrichen, Milch steht jetzt in kleinen Glasflaschen im Kühlschrank, Plastik und Einweg wird verbannt. Obwohl Alex‘ Vater immer noch hier herum wuselt, mit der Bohrmaschine in der Hand.

Morgen um 9:25 legt meine Fähre Richtung Kontinent ab. Frühstück hier im Guesthouse verkneife ich mir, einmal wegen der knappen Zeit, und auch wegen der gekauften, eigentlich überflüssigen Teekanne in Cheltenham. Am Sonntag alles wieder auf Normalbetrieb, mit dem Hundi raus und mal sehen, wie weit mein Briefkasten überquillt.

Lessons learned: Once again is never the same again

Hobbitse hier irgendwo?

Hobbitse hier irgendwo?

Es war dieses Mal definitiv anders als in 2018. Nicht wegen des Herbstes oder weil die Tage kürzer waren. Es hat sich auch nichts wiederholt, was nicht wiederholt werden sollte, der Kaffee und Kuchen im Leaf & Bean, das Einkaufen im Warner’s Budgens, der Besuch von Hidcote Garden. Es fehlte nur das Neuentdecken. Der Effekt war, dass mich sehr oft Erinnerungen erwischten, die bis in die Achtziger zurück gingen, mir fielen viele kleine Geschichten wieder ein, in Hastings, Brighton und in Penmaen, Ob das etwas mit dem Älterwerden zu tun hat? Andererseits fehlt dann in Dover oder auf der M25 eben nicht das Neufinden, dort ist es genau umgekehrt das Vertraute, wie im Churchill Guesthouse, das White Horse nebenan. Schon seit einiger Zeit pflege ich nicht mehr die ein bis zwei Pint Dark Ale dort, wo die Kanalschwimmer ihre Zeichen hinterlassen. Es war ein wenig merkwürdig dieses Mal, ohne dass ich genau sagen kann, was sich verändert hat.

Auf jeden Fall war es wieder schön in den Cotswolds, die wunderbaren Orte, in denen neue Häuser und Mauern noch aus den gleichen Materialien gebaut werden wie von 200 Jahren. Der Blick von Fish Hill bis zu den Black Mountains, die schon zu den walisischen Brecon Beacons gehören, das Grün überall, die Freundlichkeit der Leute, das Bühnenbild des Auenlandes im Herrn der Ringe, das hier real ist. Diese Gegend mag nicht so spektakulär sein wie Snowdonia, so perfekt wie die Lakelands, so wechselhaft wie Cornwall, so sinnlich wie die walisischen Strände. Doch die Cotswolds sind und bleiben ein phantastischer Flecken Erde. Eine Rückkehr ausschließen würde ich deshalb auf keinen Fall. Schon alleine um Sue und Gareth wiederzusehen, und ihr tolles Frühstück zu genießen. Bis dahin muss ich mich dem Gläschen Honig begnügen, das Sue mir zum Abschied mitgegeben hat.  Fare thy well.

Samstag, 28. September 2019: Es wäre zu einfach gewesen

Finally leaving

Finally leaving

Für meine Verhältnisse sehr früh fahre ich vom Churchill Guesthouse um die Ecke zu den Eastern Docks. Aber anstatt nach der Passkontrolle zügig zum Einchecken an den P&O-Schalter zu kommen, dirigieren die Leute vom Hafen alle Autos, egal, ob Fähranbieter DFDS oder P&O in zwei Spuren. Wo diese beiden Schlangen hinter uns enden, können wir nicht mehr sehen. Da stehen wir, und stehen, und stehen. Angekommen um 8:15, stehen wir bis um 9:50. Nichts geht. Dann setzt sich die Schlange doch langsam in Bewegung, sortiert sich in acht Einzelreihen vor den Checkins. Die Frau im Schalter informiert mich, dass es eine Bombendrohung für eine der Fähren gegeben hat, meine Fähre fährt um 11:00 statt um 9:25. Vor den Hafengebäuden mindestens ein Dutzend Polizeiwagen, zwei große LKWs vom Kampfmittelräumdienst. Nun werden alle Fahrzeuge auf den Wartereihen vor den Fähren umsortiert. Zwei Fähren werden komplett nur mit LKWs gefüllt, denn die hatten sich inzwischen bis weit nach Dover hinein aufgestaut, beide Fähren fahren hintereinander ab. Es wird 11:00, es wird 12:00, um 12:15 wird eine Fähre komplett mit PKWs geladen. Um 12:30 legen wir ab. Da sich nun die Fähren vor Calais stauen, bleiben wir eine halbe Stunde auf See stehen. Und das bei starkem Wind, der das Schiff gut ins Gehen bringt, einige Leute sind schon etwas bleich um die Nase. Um 15:30 Kontinentalzeit, statt um 11:25, kommen wir in Calais an. Es wäre je auch zu einfach gewesen, wenn die Rückfahrt unkompliziert gewesen wäre.

Lessons learned: Costly, but worth the money

Mein Zimmer 2019

Mein Zimmer 2019

2.500 Kilometer in gut einer Woche. Ein paar Zahlen: 170 Euro Fähre, 490 Pfund für das B&B, 220 Pfund Nebenkosten, davon jedoch allein 50 Pfund für Tee, Marmelade, Bohnen und Senf. Im Vergleich zu früher war ich seltener essen, sondern habe mich wegen der Touren überwiegend selbst versorgt. Vermutlich relativieren sich die Preise und Kosten in Großbritannien zu den deutschen wegen der stark gestiegenen Preise bei uns. Beispielsweise die Fish & Chips im Russell’s waren mit 10 Pfund = 11,20 Euro für das Essen im Vergleich zu einer Pizza oder einem Schnitzel hier eher ein Schnäppchen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich die Portion gar nicht komplett verdrücken konnte. Eine Backkartoffel mit Thunfisch oder Bohnen beim National Trust kostet um die sechs Pfund, ein Sandwich oder Toastie ist für drei bis vier Pfund zu bekommen. Die Zeiten, in denen Großbritannien als Hochpreisregion galt, sind mittlerweile vorbei. Selbst ein umfangreiches Essen mit drei Gängen in einem richtigen Restaurant für 17 oder 18 Euro entspricht den Größenordnungen in Deutschland. Selbst beim Vergleich für die Unterkunft holt Deutschland auf. Eine Woche Ferienwohnung im Harz ist nicht unter 350 Euro zu bekommen. Der Vergleich einer eher schlichten Ferienwohnung mit dem schönen Zimmer in der Lowerfield Farm hinkt da schon.

Finally

Eine anstrengende Hinfahrt und auch eine anstrengende Rückfahrt. Doch jetzt, im Nachhinein, hat es sich gelohnt. Die wunderschöne Woche in den Cotswolds, das home from home bei Sue und Gareth, das Glas Honig von Sue, das nun in meiner Küche steht. Und mich täglich daran erinnert, dass es für mich die eine Heimat gar nicht gibt. Heimat ist das Paderborner Land, ein wenig auch das südliche Niedersachsen, besonders aber die Gegenden, die irgendwie in mir verankert sind. The Gower, Snowdonia, die Lakelands und die South Downs, die Cotswold Hills und auch Cornwall und Devon. Home from home eben.

All pictures, unsorted, unpaid for