Siena

Siena

So schön und vertraut für mich Wales, Cornwall und Nordengland sind, war es in 2015 Zeit für ein neues Gebiet. Viel gehört hatte ich von der Toskana als Urlaubsziel. Von toller Landschaft, gutem Essen, den freundlichen Menschen. Von den beeindruckenden Städten und dem besonderen Flair. Und wie macht man eine Reise in eine Gegend, die man überhaupt nicht kennt?

Apulische Alpen

Man pinnt eine Landkarte des Zielgebietes an die Wand, werfe einen Dartpfeil darauf und so hat man den passenden Ort. Der hieß in 2015 Camaiore im Norden der Toskana.

Camaiore von Metato gesehen

Camaiore von Metato gesehen

Wir landeten ca. 500 Meter über dem eigentlich angezielten Ort Camaoire, in Metato, ein Bergdörfchen ohne wirkliche Straßen, ohne Geschäfte, dafür mit einem tollen Blick zum Meer. Zudem ist Camaiore keine Stadt des Tourismus‘, erst einige Kilometer zum Meer hin wird es das, mit riesigen sterilen Hotels, kostenpflichtigen Stränden und Besuchern in Überzahl. Das Positive im Norden der Toskana ist die Nähe zu den Bergen der apulischen Alpen. Wir haben tatsächlich dort tolle Bergtouren gemacht, wir hatten ein wunderschönes Häuschen, wir waren viel unterwegs. Es war ein schöner Urlaub. Im Nachhinein betrachtet. Damals waren wir nicht so ganz glücklich mit unserer Wahl.

Siena

Siena

Erst später wurde uns klar, was die „richtige“ Toskana ist, als wir nach Siena und Pisa fuhren, und nach Arezzo: das Gebiet der Region Siena oder Lucca, dort fanden sich die Hügel und Pinienwälder, die man sich unter dem Begriff Toskana vorstellt. Da wollten wir doch noch einmal hin. Folgerichtig trennten wir den Urlaub in 2016 auf. Einmal in einen Teil mit zwei Wochen in den Lakelands, wo das Wandern zum Grundprogramm gehört, im Juni/Juli, dazu zwei Wochen im September in der Toskana. Nur … die Wahl wurde nicht viel einfacher, wohin wir nun in dieser Region Italiens denn fahren sollten. Am Meer, in der Maremma, waren Unterkünfte in riesigen Ferienbunkern zu bekommen, aber keine Ferienwohnungen. Und wenn, dann waren sie sehr teuer. So war das wieder eher ein Schuss ins Blaue, sich ins Inland zurück zu ziehen, schon tief im Süden der Toskana.

Wir landeten in Trevinano, aus später nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen. Um dann festzustellen, dass das gar nicht mehr in der Toskana liegt, sondern im Latium. Genauer im Dreiländereck aus Toskana, Umbrien und Latium.

Lessons learned: Toskana ist nicht Toskana

Die Toskana ist mitnichten ein homogenes Gebiet. Manche Teile sind stark touristisch, andere wieder ruhiger und weniger mit touristischen Highlights gesegnet. Der Norden ist insgesamt am dichtesten besiedelt, hat sogar industriell geprägte Gegenden wie der Bereich um Camaiore und Massa. Trotzdem hat er zwei markante und interessante Gebiete, die Strände im Nordwesten mit Hotelklötzen und kostenpflichtigen Stränden, und den Nordosten mit seinen Gebirgen. Dort finden sich auch ausgedehnte Wandermöglichkeiten bis in ziemliche Höhen. Der Vorteil des Nordens sind gute Infrastruktur und Einkaufsmöglichkeiten.

Der Westen der Toskana, besonders die Maremma, sind ebenfalls sehr stark vom Tourismus bestimmt. Entsprechend teuer und rar sind Ferienwohnungen und -häuser. Es sei denn, man nimmt einige Kilometer bis zum Strand in Kauf. Dafür finden sich dort viele Restaurants und Hotels, fast immer mit Pool, aber auch mit langen Stränden. Ausnahme ist das Naturschutzgebiet der Maremma, das im Wesenlichen nur zu Fuß, per Rad oder Kutsche befahren werden darf. Dafür gibt es dort kostenlose Naturstrände und unberührte Natur.

Der Osten und Südosten der Toskana sind relativ dünn besiedelt, der Tourismus hat seine Bedeutung, aber nicht in der Dichte wie im Norden und Westen. Der Osten hat einige schöne Gebiete, wie das Val di Orchia. Hier im südöstlichen Bereich der Grenze zu Umbrien und Latium wird die Besiedelung dünner, die touristischen Attraktionen werden seltener. Wandern ist kaum noch Thema, der Versuch, Wandervorschläge in dieser Gegend zu finden, scheiterte kläglich. Die wenigen Ausnahmen sind nicht einfach zu finden, hinter Sorano Richtung Sovana gibt es einen Weg hinunter ins Tal, fünf Kilometer mit einem Abstieg von 500 Höhenmetern, aber man muss den gleichen Weg zurück. Wandern ist auch noch möglich am Lago Di Bolsena. Wer tatsächlich in der Hauptsache wandern möchte, ist im Norden der Toskana am besten aufgehoben. Dort haben wir in 2015 ein paar schöne Touren gemacht. Wandervorschläge dort sind in den Büchern am Ende der Seite zu finden.

Freitag, 9. September 2016: Nienhagen, Innsbruck

Wie üblich bei längeren Strecken haben wir die Fahrten aufgeteilt. Die Hinfahrt hatte einen Stopp in Innsbruck. Entgegen meinen 20 Jahre zurückliegenden Eindrücken ist Innsbruck eine ausgesprochen bunte und lebendige Stadt. Bei gutem Wetter und am Freitag war die Innenstadt sehr belebt, nicht nur mit Touris. Die Neustadt ähnelt üblichen Großstädten mit den Ketten Cheap & Awful und Hager & Mager. Die Altstadt, wo auch das Goldene Dachl liegt, hat nur kleine Geschäfte und enge Gassen.

Hotel Nala

Hotel Nala

Eher zufällig gebucht, wird es seinem Namen Individuellhotel mehr als gerecht. Alle Zimmer sind Unikate, wir hatten das Glück, eines der Garden Apartments zu bekommen, mit direktem Zugang zum Garten, einer kleinen Sitzecke und einer kleinen Küche. Das Nala ist kein 08/15-Hotel, sondern legt Wert auf Design und eben Anderssein. Unser Zimmer 003 war sehr gemütlich mit vielen Design-Ideen und einem großen Bett. Dazu zwei (!) Fernseher, ein Master am Bett und ein riesiger Slave gegenüber der Sitzecke. Das Frühstück ist vielfältig, jedoch mit 15 Euro kein Schnäppchen. Mit der Küche inklusive Kapselkaffeemaschine und Heißwassergerät sorgten wir selbst für unser Frühstück. Ein Supermarkt der Kette Billa ist direkt um die Ecke, auf der Andreas-Hofer-Straße. Der öffnet sogar schon um 7:30 Uhr, hat Brötchen und alles Notwendige im Angebot. Empfehlenswert ist das Hotel Nala in jedem Fall, liegt es doch nur zehn Gehminuten vom Zentrum entfernt und trotzdem ruhig. Direkt gegenüber ist ein kleiner Italiener mit passablem Essen und zurückhaltenden Preisen zu finden. Ansonsten hat man das breite Angebot an Essen in der Innenstadt.

Samstag, 10. September: Innsbruck, Brenner, Sterzing, Trevinano

Sterzing

Sterzing

Da wir bei der Ausfahrt aus Innsbruck vor dem Brenner keine Bäckerei für unsere kalorienmäßige Erstversorgung in Italien fanden, machten wir noch einen Abstecher hinter dem Brenner nach Sterzing. Ein überschaubarer und netter Ort mit allem an Geschäften, was man so braucht und mehr. Die Bäckerei unseres Vertrauens kannten wir schon aus 2015, eine einzelne Handwerksbäckerei ohne mehr Chemie im Teig als notwendig. Noch einen Cappuccino im Café gegenüber gönnten wir uns, danach ging die Tour weiter. Noch viele hundert Kilometer auf Italiens Straßen lagen vor uns. Über Bozen, Verona und Florenz ging es schon nach Umbrien hinein. Zwischendurch kam ein Abschnitt der Autostrada A1, der erst in 2016 fertig gestellt worden war und eine frühere Strecke ergänzte. So durften wir miterleben, wie ein Navi durchdreht. Das Navi vermutete uns in einem Bergmassiv verschüttet und stellte alle Hinweise ein, da es uns wahrscheinlich für tot hielt. Erst in Florenz erwachte es wieder.

Der Vermieter hatte einen anderen Weg vorschlagen, wir vertrauten fälschlicherweise unserem Navigationshilfsgerät, das uns über Straßen, die mehr Pisten sind, nach Trevinano leitete. Trotzdem kamen wir unbeschadet bei Trevinano an. Die Suche nach unserem Ferienhaus gestaltete sich schwierig, da die Weglängen, die in der Anfahrtsbeschreibung angegeben waren, mit der Wirklichkeit wenig zu tun hatten. Aus einem Kilometer wurden dann zweieinhalb, aus 400 Metern Schotterstrecke 1500. Wir fanden zwar das Haus, aber niemanden, der uns wie angegeben in Empfang nehmen würde. In der Tat war unsere Buchung nicht angekommen. Eher zufällig kam der Besitzer des Hauses, Signiore Fioretti, auf seinem Traktor vorbei und fragte, was wir denn suchten. Mit Händen und Füßen erklärten wir, dass wir hier eine Ferienwohnung gebucht hatten. Er rief seine Tochter Sara an, die im Gegensatz zu ihm etwas Englisch sprach, er reichte das Handy an mich weiter. So bekamen wir doch noch von Sign. Fioretti die Schlüssel für das Haus, Handtücher und Bettwäsche dazu. Erst hatte ich uns schon auf der verzweifelten Suche nach einem Hotel in der Gegend gesehen. Was wohl kein leichtes Unterfangen gewesen wäre, mitten in der Pampa.

Am nächsten Mittag kam Sara bei uns im Haus vorbei, mit einem riesigen Korb mit Tomaten, Paprikas, Pfirsichen und Auberginen aus dem eigenen Garten, einer Flasche Wein und einer Flasche Olivenöl sowie einem großen Kuchen von Mama. Da war unser Groll dann endgültig verpflogen. Irgendwie haben diese Italiener etwas sehr Nettes an sich.

Lessons learned: Wo man so landet

Nach den Erlebnissen in 2015, als wir in Camaoire wohnen wollten, doch dann in fast 500 Metern Höhe in Metato blieben, wollten wir dieses Mal sicher sein, eine Bleibe nach unseren Bedürfnissen zu buchen. Es blieb bei diesem Wunsch. Was zum Einen an unserer Naivität lag, zum Anderen an nicht zutreffenden Beschreibungen seitens der vermittelnden Stelle in Gütersloh. Unser Fehler war, uns nicht genauer über die Gegend zu informieren, in die wir reisten. Früher hatten wir uns erst ausreichend Material in Form von Büchern und Karten zugelegt, um zu wissen, was an diesem Ort geht und was nicht. Da wir vor diesem Urlaub durch berufliche und gartentechnische Dinge ausgelastet waren, taten wir gerade das mal nicht. Und verließen uns auf die Angaben der vermittelnden Stelle. Sollte man nach unseren Erfahrungen nicht tun, denn viele Angaben sind geschönt oder kreativ interpretiert. Das ist uns in den Lakelands auch schon passiert, allerdings mit eher akzeptablen Auswirkungen.

La Macchia ist eine ehemalige Fattoria in der Nähe von Trevinano, was wieder zu Acquapendente gehört. Es ist auch nicht mehr Toskana, sondern bereits das Latium, gut 100 Kilometer östlich der etruskischen Riviera und der Maremma. Schon bei der Anfahrt gab es Probleme, La Macchia nach der Anfahrtsbeschreibung zu finden. La Macchia liegt alleinstehend auf einem kleinen Hügel. Im Haus gibt es fünf Ferienwohnungen, wir waren jedoch zur Zeit die einzigen Gäste. Zwar hatten wir so dort komplette Ruhe und Abgeschiedenheit, anders formuliert war es ziemlich langweilig. Um zu einem Restaurant oder Café zu kommen, waren mindestens 20 Minuten mit dem Auto über Schotterpiste und Gebirgsstraßen übelsten Zustandes zu bewältigen. Selbst danach war die Auswahl an Lokalitäten sehr beschränkt. Für uns auf Dauer zu beschränkt.

Es ist also dringend anzuraten, wenn man eine Gegend nicht oder wenig kennt, sich darüber zu informieren, wie touristisch oder erschlossen ein Gebiet tatsächlich ist. Den Beschreibungen der Vermittler oder Vermieter würde ich nicht mehr trauen. Auch in der ach so touristischen Toskana. Es gibt dort vereinsamte und abgelegene Gegenden, weit ab von mitteleuropäischen Gewohnheiten. Nun mag man einwenden, und dazu gehöre ich auch, dass ich ja gar nicht in die touristischen Gebiete möchte. Das hat aber zur Konsequenz, dass das, was auch zum Urlaub gehört, wie Essen gehen, mein geliebter Cappuccino oder einfach nur etwas einzukaufen, in weitere Ferne rückt. Wir tendieren dazu, unseren Stand hier in der Heimat auf das Hinterland der Toskana abzubilden. Das funktioniert nicht. Wir sind es gewohnt, in einigen Kilometern Entfernung einen Supermarkt zu haben. In Umbrien und im Latium können daraus leicht eine gute halbe Stunde Fahrt über Bergstraßen werden. Wenn auch nicht wie in Kanada zwei Stunden.

Sonntag, 11. September: Acquapendente, San Casciano dei Bagni

Gottesanbeterin

Gottesanbeterin

Gerade angekommen, gelten die ersten Aktivitäten mit Ferienwohnung und Selbstversorgung dem Erkunden des Umlandes. Wo kann man einkaufen, tanken, essen? In der Beschreibung der Ferienwohnung war angegeben, dass man in Acquapendente so ziemlich alles bekäme, was man braucht. Eine sehr subjektive Angabe. Dass die Entfernung nicht stimmte, überraschte nicht, dazu ist die Straße von Trevinano über fast 500 Höhenmetern herunter zu bewältigen, nebenbei in einem ausgesprochen schlechtem Zustand. Schlaglöcher größeren Ausmaßes und erschreckender Tiefe sind nicht selten, Teile der Straße am Hang waren abgerutscht. Was Nadelkehren sind, kann man hier in Reinform erleben. Es ist nicht so, dass die Infrastruktur in diesem Teil Italiens generell marode ist, nur für Straßenbau wird hier möglichst wenig ausgegeben. Weiterhin zu bedenken ist die geringe Bevölkerungsdichte hier, was wenig Werkstätten und Tankstätten zur Folge hat. Außer in den größeren Orten waren Tankstellen nicht zu finden.

San Casciano del Bagni

San Casciano del Bagni

Tatsächlich hat Acquapendente einen InCooP als Supermarkt, desweiteren einen Discounter EURO Spin. Die Stadt selbst hat bessere Zeiten gesehen, wirkt verarmt und eher bedrückend. In der Innenstadt finden sich wenige Geschäfte, die nicht nur am Sonntag, sondern auch in der Woche oft geschlossen sind. Das einzige akzeptable Restaurant, das Il Borgo, fanden wir eher zufällig in der Nähe des Rathauses, nachdem wir uns in einer Stehpizzeria versorgt hatten. Enttäuscht verließen wir Acquapendente und machten uns auf den Weg in ein Nachbardorf von Trevinano, San Casciano del Bagni.

Dieses Dorf wenige Kilometer gegenüber von Trevinano ist tatsächlich sehr alt, recht ansprechend, wenn auch nicht sehr groß. Die wenigen Straßen sind noch im Mittelalter angelegt, der Ort wirkt aber aufgeräumt und gepflegt. Mindestens für einen kleinen Rundgang reicht das Dorf. Am Beginn der Altstadt liegt ein Café auf der rechten Seite mit ausgesprochen gutem Eis und Cappuccino für 1,20 Euro. Dazu gibt es eine schöne Aussicht auf die umliegenden Berge und Hügelketten.

Ok, kein Tag mit Highlights, eher waren wir enttäuscht, dass wir mit der Unterkunft wieder ab von allem Leben gelandet waren. Zu Fuß kann man La Macchia nicht entkommen. Zwar war die Ruhe in La Macchia erholsam, aber es gab keine Alternativen, zu Fuß irgendwo hin zu gelangen. Die Wohnung selbst war wirklich ok, einfach, doch ansprechend eingerichtet, ordentliche Dusche, guter Gasherd, genug Platz, alles notwendige Küchengerät vorhanden, wie man sich eine italienische Wohnung vorstellt. Jede Wohnung hat vor der Eingangstür einen überdachten Platz mit Bank und Tisch. Der Pool war leider schon außer Betrieb, weil man ja nicht mit uns gerechnet hatte. Die Vermieter, Sign. Fioretti und seine Tochter Sara nette und freundliche Leute, sehr bemüht. Wenn Sign. Fioretti mal mit seinem Trecker auf den Feldern um uns herum düste, winkte er immer rüber. Er sprach zwar kein Wort Englisch oder Deutsch, aber man kann sich auch prima mit Gesten unterhalten. An dieser Stelle konnten wir uns nicht beschweren. Ebenso der Blick über die umliegenden Hügel bis zum 1700 Meter hohen Monte Amiata ist wunderschön. Würde man, wie unsere Vormieter, das gesamte Haus mit einer großen Truppe mieten, wäre es hier vielleicht gar nicht so übel.

Montag, 12. September: Bolsena, Lago Di Bolsena

Lago di Bolsena

Lago di Bolsena

Südlich von Acquapendente liegt der Lago di Bolsena, mit 114 Quadratkilometern Fläche ein ziemlich großer See vulkanischen Ursprungs. Im Gegensatz zur Umgebung sind der See und die umgebenden Orte wieder etwas mehr vom Tourismus geprägt. In der Hauptsache sind um den See herum Campingplätze zu finden, dazu viele Restaurants, Bars, Wassersportmöglichkeiten sowie Wanderwege rund um den See. Angeblich kann man um den See herum auch Radfahren.

Bolsena

Bolsena

Das Örtchen Bolsena ist ganz lebendig, hat einige Restaurants und Cafés, dazu Geschäfte und Einkaufsmöglichkeiten. Ich bekam dort einen neuen Sonnenhut, weil ich meinen zuhause vergessen hatte, dazu finden sich viele Kunsthandwerker wie auch Touristenkram. Das in der Mitte der Einkaufsstraße gelegene Restaurant zeichnet sich durch gutes Essen bei gemäßigten Preisen aus, mit einigen wenigen Tischen auf der Straße. Zwar wird man in Bolsena keine Stunden verbringen können, aber mit einem Abstecher zum See reicht es für einen Ausflug. Und dort in Bolsena bekommt man tatsächlich das Notwendigste und etwas mehr. Wie meinen Sonnenhut, damit mir die toskanische Sonne nicht sogar im September noch die Pläte verbrennt.

Lessons learned: Guten Appetit

Immer wieder wird zitiert, Italien sei ein teures Urlaubsland geworden. Können wir so nicht bestätigen. Zwar sind Hotels und Ferienwohnungen preislich auf durchschnittlichem europäischen Stand, das Essen liegt in Bereichen, die wir in Deutschland gewohnt sind. Es geht aber auch billiger. Cappuccino von 1,20 bis maximal 2,00 Euro, den Vogel abgeschossen hat nur eine Bar in Volterra. Dort wurden für einen kleinen Cappuccino 3,00 Euro aufgerufen. Das war aber die absolute Ausnahme. Ansonsten gab es Pizzas, die ich alleine nicht aufessen konnte, von sechs bis maximal acht Euro. Eis gibt es meistens nicht als Kugeln, sondern in unterschiedlich großen Bechern. Der kleinste, der gefühlt zwei Kugeln Eis intus hatte, kostete so um zwei Euros. Je weiter man von den Tourismuszentren entfernt ist, desto billiger wird es.

Parkgebühren halten sich meistens ebenso in Grenzen. Als ich in Sovano einen Euro in den Parkautomaten geworfen war, hatte ich direkt drei Stunden gebucht. Es gibt sogar in den Städten wie Volterra oder Montepulciano kostenlose Parkplätze, manchmal muss man etwas suchen. Dazu sollte man berücksichtigen, dass gerade in den kleinen und einfachen Trattorias und Pizzerias die Qualität sehr gut ist, das Essen meist reichlich. Also eher nicht mitten in der Stadt essen, sondern etwas außerhalb, oder in kleinen Gassen ab von der Stadtmitte. Nur einmal haben wir nicht gut gespeist, als wir auf der Fahrt nach Castagneto in einem eher teuren Ristorante Station gemacht haben. Also: bei Mama essen ist in Italien immer noch der beste Rat.

Dienstag, 13. September: Sorano, Sovana

Mangels Alternativen verlegen wir uns auf Stadtbesichtigungen. Heute im Angebot: die beiden Orte Sorano und Sovana. Sorano liegt ca. eine knappe Autostunde westlich von Acquapendente, die Straßen wie immer gewöhnungsbedürftig. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern ist schon ein sehr guter Schnitt.

Sorano

Sorano

Die Stadt liegt in der südlichen Toskana, gehört genauer zum südlichen Hügellland der Maremma, liegt am Hang eines Tuffsteinhügels über dem Fluss Lente. Wie Pitigliano und Castell’Azzara ist sie eine der Tuffsteinstädte (città del tufo). Beherrscht wird das Bild der Stadt durch die mächtige Burg, die oberhalb des Stadtkerns liegt. Es ist beeindruckend, wie diese Stadt an die steilen Wände angeklebt ist. Zwar gibt es in der Stadt selbst nicht viel zu entdecken, nur wenige Geschäfte und ein paar Lokalitäten. Interessanter ist die Architektur des Ortes, an vielen Stellen geht es nach einer Mauer steil ins Flusstal herunter.

Sovana

Sovana

Wir laufen noch eine Zeit lang in den engen Gassen herum, danach machen wir uns auf den Weg zum nächsten Halt: Sovana. Fährt man von Sorano herunter in das Flusstal, durch monströse Hohlwege, die die Etrusker einmal gegraben haben, geht es wieder hinauf. Kurz hinter den Kehren den Hang hinauf liegt auf der rechten Seite ein kleiner Parkplatz mit einer großen Tafel. Hier beginnt ein Wanderweg herunter zum Tal, danach in einen weiteren Ort im Flusstal. Sicher kein uninteressanter Weg, aber zwei Stunden Gehzeit und 500 Höhenmeter herunter und wieder zurück vertagen wir auf einen früheren Zeitpunkt am Tag. Ich habe nämlich Hunger und keine Rucksackmahlzeit dabei.

Nach Sovana führt uns eigentlich nicht der Ort selbst, sondern die dabei gelegenen etruskischen Nekropole, Begräbnisstätten aus der Zeit vor Christi Geburt. Da wir aber gerade hier sind, gehen wir noch kurz in den kleinen Ort hinein, essen an der Piazza im größeren Restaurant zu Mittag und fahren dann zu den Nekropolen hinunter.

Nekropole

Nekropole

Diese Grabanlagen wurden in der Zeit 200 bis 100 Jahre v. Chr. von Etruskern erbaut. Dort wurden Würdenträger und Persönlichkeiten aufgebahrt, zwar ist die Anlage nicht kostenlos zu besichtigen, jedoch erstaunlich, was in Zeiten mit reiner Handarbeit dort angelegt wurde. Mehr als eine dreiviertel Stunde braucht man nicht, aber beeindruckt ist man trotzdem. Auch von den Hohlwegen mit bis zu 10 Meter hohen Wänden, die in reiner Handarbeit für den Zugang zu den Tempeln und Gräber angelegt wurden. Zurück nach Trevinano wählten wir einen kürzeren Weg, der dann noch mehr Kurven und noch schlechtere Straßen bedeutete.

Lessons learned: Durschnittsgeschwindigkeiten relativiert

Auf deutschen Autobahnen komme ich – auch bei gelegentlichem zügigen Fahren jenseits der 160 – selten auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit wesentlich höher als 100 km/h. Spätestens bei der nächsten Baustelle ist der Schnitt im Teich. Auf deutschen Landstraßen sind Durchschnittswerte von 75 km/h ein guter Wert. Auf italienischen Autobahnen ist ein Durchschnitt von 80 km/h ein Traum, nicht nur wegen der vielen Tempolimits bis herunter auf 60 km/h. Auf italienischen Landstraßen werden Durchschnittsgeschwindigkeiten unerheblich. Südlich von Grosseto und im Inland möchte man sie gar nicht mehr wissen.

Die Autobahnen in Italien sind überwiegend ganz gut in Schuss. Was man für Mautgebühren von 42 Euro für die Strecke Sterzing – Chiusi plus neun Euro für den Brenner auch erwarten kann. Im südlicheren Italien kann man nordeuropäische Straßenverhältnisse vergessen. Außer eben in Gebieten wie Südtirol oder im Bereich Camaiore und Siena oder Pisa. Selbst die Super Strada 1, neben der Autobahn A1 die Hauptreisestrecke durch die Toskana, ist in grauenerregendem Zustand. Riesige Schlaglöcher, Bodenwellen, die den Inhalt des Autos durcheinander wirbeln, Straßenabschnitte, die nur noch aus Flicken von Teer bestehen, sind an der Tagesordnung. Geht es auf die kleinen Verbindungsstraßen, wie zwischen Trevinano und Acquapente oder zwischen Sorano und Sovana, wird es mörderisch. Hinzu kommen Nadelkehren, abgestürzte Straßenkanten und nach Regengüssen großflächige Erde aus dem Wald auf der Fahrbahn. Italienische Straßen haben keine Drainagen, daher Vorsicht bei etwas mehr Regen. Etwas besser wird es erst gen Norden, im Bereich der etruskischen Küste werden die Straßen etwas besser instandgehalten.

Erschwerend kommt der italienische Autofahrer hinzu. Der gehört überwiegend einer von zwei Gruppen an. Erstere wagt es nicht, sich der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit mehr als 20 oder 25 Stundenkilometer anzunähern. Die Fahrer haben meistens die 60 schon länger hinter sich gelassen, in ihrem Panda oder Fiat aus Nachkriegszeiten arbeiten sie sich durch das weite Land. Diese Gruppe ist nervig, aber ungefährlich. Die zweite Gruppe fährt alles vom Fiesta bis zum aufgeblasenen SUV, hängt einem noch auf der Anhängerkupplung, wenn man eh schon viel zu schnell fährt. Oder wenn man der Haftung seiner 205er-Schluffen und dem ausgereften Fahrwerk seines Autos auf Gebirgsstrecken schon lange nicht mehr traut. Vereinzelt trifft man italienische Autofahrer, die für meine Verhältnisse normal fahren, zügig, aber nicht riskant, nur auf Sicht überholend, die Fähigkeiten seines Autos und des Fahrers realistisch abschätzend.

Kurz und gut: das Autofahren in Italien macht selten wirklich Spaß.

Mittwoch, 14. September: Pienza, Montepulciano

Wir bleiben bei unseren Städtetouren. Heute geht es nach Pienza, wegen des Schafskäses, danach nach Montepulciano wegen des Weines. Beide Produkte bleiben in ihren Heimatorten und begleiten uns nicht nach Hause.

Pienza

Pienza

Pienza ist bisher der Ort mit den meisten Einkaufsmöglichkeiten, was kurz danach von Volterra noch wieder getoppt werden sollte. Ebenfalls mittelalterlich, aber nicht so eng in den Gassen, weitläufiger und mit weitaus mehr Touristen bevölkert als die bisherigen Straßen. Restaurants von ganz einfach bis in die gehobene Preisklasse hinein. Eben sehr viele Geschäfte mit Pecchorino, der besonders hier im Umland hergestellt wird. Im Grunde wiederholen sich viele Dinge, auch Geschäfte, wenn der Keller zuhause eh schon überläuft.

Montepulciano

Montepulciano

Station zwei, nicht weit entfernt, ist Montepulciano. Berühmt für seinen Wein, könnte man dort die Weinkeller besichtigen, an jeder Ecke Wein probieren, bis man randvoll abgefüllt ist oder man geht shoppen. Die Anzahl an Geschäften aller Art übertrifft Pienza noch einmal um ein Vielfaches. Montepulciano ist eine relativ große und weitläufige Stadt. Obwohl sich Läden mit reinem Touristenkrempel nicht übermäßig finden. Nur wurde ich das Gefühl nicht los, dass sowohl beim Wein als auch bei Käse und Kunsthandwerk die Touris erbärmlich über den Tisch gezogen werden. Wer mitten in Montepulciano Wein kauft, hat entweder keine wirkliche Ahnung oder einen zu dicken Geldbeutel. Mir jedenfalls erschienen die Preise für die Weine erheblich überzogen. Obwohl ich bei Jacques‘ saftige Preise gewohnt bin, die ich für einen erwartbar guten Wein auch gerne hinnehme. Ich würde jedoch den Leuten, die hier in knallbunten Bermuda-Shorts und Badelatschen herum irren, die Fähigkeit absprechen, zwischen einem Wein zu 30 Euro aus Montepulciano und einem von Aldi für sechs Euro Unterschiede auszumachen. Sorry.

Blick von La Macchia

Blick von La Macchia

Weder Pienza noch Montepulciano gehören zu der Kategorie „Nett, aber kann man sich sparen“, alle Orte haben ihren Reiz und ihre Besonderheiten. Bei Interesse für Kunst oder Kunsthandwerk finden sich in allen diesen Orten Läden, Museen und Werkstätten, die einen Besuch wert sind. Nur, reiht man solche Ausflüge tageweise aneinander, hat man irgendwann den Kaffee auf.

Wir fahren über Chiusi zurück zu unserer Bleibe. Ach ja, falls jemandem nach einer italienischen Stadt ohne Touristen, Nepp und Bussen ist, sei ihm Chiusi wärmstens empfohlen. Liegt zwar in der Toskana, aber eben nur das.

Donnerstag, 15. September: Zuhause, Acquapendente, der Entschluss

La Macchia

La Macchia

Es war bedeckt und diesig. Noch eine Stadt mochten wir nicht mehr besichtigen, wir brauchten nichts aus dem Supermarkt, mussten nicht tanken, Wein war auch noch ausreichend vorhanden. So blieben wir in La Macchia, lasen und schrieben, saßen in unserem regenfesten Raucherunterstand.

Am Nachmittag fuhren wir doch noch einmal herunter nach Acquapendente. Obwohl es ein Nachmittag war, war der Ort so tot wie am Sonntag, von den wenigen Geschäften waren immer noch viele geschlossen. In den Straßen auffällig viele Erwachsene, die auf Treppen und in Hauseingängen herum saßen, wohl ohne Job und ohne Zukunft in dieser armseligen und vergessenen Stadt. Da wir eh nichts hier anfangen konnten, selbst ein nettes Café für einen Cappuccino und ein Eis war nicht zu finden, setzen wir uns noch auf eine Bank aus lackierten Europaletten für eine Zigarette. Man hat hier nicht mal das Geld für richtige Bänke, so trostlos ist es hier. Stimmt so nicht, man macht in der Toskana gerne aus angemalten Paletten Bänke und Tische. Langsam dämmerte uns, warum außer unserem nur sehr selten ein ausländisches Autokennzeichen zu finden war.

So kam der Entschluss kurz und schmerzlos. Wir wechseln. So nett La Macchia war, so ruhig und entspannend, aber ohne Fußwege, ohne Infrastruktur, das war etwas zu ruhig. Den PC angeworfen, WLAN gab es zum Glück in La Macchia, fand sich schnell eine Alternative. Am Meer, etwas südlich von Livorno, in einem Touristenort, aber nicht zu touristisch. Die Kirsche, Castagneto Caducci, im Stadteil Donoratico, das Meer in Sichtweite, nicht so abseits gelegen. Noch einen Tag hier in Trevinano verbringen.

Lessons learned: Die Toskana im September

Wir waren zuerst etwas skeptisch, ob der September nicht schon ein bisschen spät wäre für die Toskana. In den Reiseführern wird angegeben, die Saison in der Toskana liefe von Juni bis Mitte Oktober. Das können wir erst einmal bestätigen. Hochsaison ist der Juli bis in den August hinein, wobei es dann so voll sei, dass es manchmal keinen Spaß macht.

Letzteres haben wir ansatzweise im letzten Jahr erlebt, am Lido di Camaiore und in Viareggio. Die Strände waren dicht belegt, Ausnahmen gab es es nur nach längeren Wanderungen aus den kostenpflichtigen Bereichen an den Hotels heraus. Insofern war die Wahl des Septembers ein Glücksfall. Es ist noch warm, die Sonne kann einem noch ganz schön das Fell verbrennen, die Lufttemperaturen liegen an guten Tagen bei 25 bis 28 Grad. Das Meer ist vom Sommer aufgeheizt, es wird noch ausgiebig geschwommen und geplanscht. Aber es ist nicht mehr voll an den Stränden und in den Orten. Zwar sind noch alle Hotels und Restaurant geöffnet, man muss sich aber nicht mehr um einen Tisch streiten, Ausnahmen bestätigen in kleinen Restaurants mit wenigen Tischen im Freien die Regel. Die Strände sind nicht verwaist, aber auch nicht eng belegt. Eigentlich beinahe optimal, wenn man nicht unbedingt die Hitze des Hochsommers braucht. Mit kleinen Kindern fast perfekt, weil es nicht mehr so heiß ist wie im Juli.

Auch für Stadtbesichtigungen hat der September seine Vorteile. Während sich im Hochsommer die Massen durch die Straßen schieben, Florenz eher ein Höllenort ist, geht es im September gemächlich zu. Bei unserem einzigen Großstadtbesuchen für hiesige Verhältnisse, in Volterra und Montepulciano, war die Touristenmenge überschaubar, die Restaurants angenehm belebt, die Geschäfte gut zu begehen. In diesem Sinne ist der September in der Toskana keine Notlösung, sondern für uns als Halboldies fast die beste Zeit.

Freitag, 16. September: Pitigliano, Montefiascone

Am letzten Tag im Latium machen wir doch noch eine Ortsbesichtigung. Auch wenn uns nicht wirklich danach ist, nach den vielen Orten, die wir schon gesehen haben. Die Überraschung war, dass wir etwas verpasst hätten, wären wir nicht nach Pitigliano gefahren.

Pitigliano

Pitigliano

Die Stadt liegt im ursprünglich etruskischen Stammland und ist auf einen ca. 300 m hoch gelegenen Tuffsteinfelsen gebaut. Der Tuff ist auch das hier übliche Baumaterial, das in Ziegelform aus dem Fels geschnitten wird. Pitigliano ist von den tiefen Schluchten der Bäche Lente und Meleta umflossen, die sich im Lauf der Zeit in das Plateau geschnitten haben. Zusätzlich zu den natürlichen Canyons finden sich rund um die Stadt viele sogenannte „Vie Cave“, Wegsysteme der Etrusker, die in den Tuffstein gegraben wurden. Diese Etruskerstraßen sind zum Teil mit ausgeklügelten Entwässerungssystemen versehen. Was heißt, dass sie schon weiter waren als die italienischen Straßenbauer.

Pitigliano

Pitigliano

Pitigliano geht ohne Weiteres als größere Stadt durch, hat mehrere Einkaufsstraßen, einige Lokalitäten und ganz witzige Metzgereien und andere Geschäfte. Jedoch kaum Andenkenläden. Was den Reiz von Pitigliano ausmacht, ist das durchgehend mittelalterliche Flair, die unzähligen winzigen Gassen, durch die nur Fußgänger und manchmal die Apes, dreirädige Rollermobile des italienischen Herstellers Piaggio, tatsächlich hindurch kommen. Aus den Gassen führen schmale, unglaublich steile Treppen in die Häuser, viele Eingänge sind reich mit Blumen und Pflanzen dekoriert. Man kommt von einer Gasse in die nächste, bis man eigentlich nicht mehr genau, weiß wo man ist. Das Erkunden von Pitigliano ist ein Erlebnis, für das man sich einige Zeit gönnen sollte. Man hat dann so in etwa eine Ahnung, wie die Städte zu Zeiten des Romans „Das Parfüm“ ausgesehen haben. Pitigliano sollte man sich nicht entgehen lassen, dafür kann man sich eher Pienza oder Montepulciano sparen. Kleiner Tipp fürs Mittagessen. Am Eingang der Altstadt liegt die Pizzeria „La Magica Torre“, hier gibt es sehr gute und riesige Pizza in vielen Varianten. Nicht wirklich billig, aber wirklich lecker.

Leider fing es am Nachmittag an zu tröpfeln, wir machten uns auf den Rückweg. Geplant war noch ein Stopp in Montefiascone am Lado di Bolsena. Bis dahin hatte sich das Getröpfel in handfesten Regen gesteigert. Wir machten in Montefiascone nur einen kurzen Halt in einer Cafeteria auf einen Cappuccino und fuhren zurück zu La Macchia.

Samstag, 17. September: Wechsel nach Castagneto Carducci

Monte Amiata

Monte Amiata

Noch einmal ging es die Traumstrecke herunter Richtung Acquapendente, weiter um den Monte Amiata herum und durch viele kleinere und größere Orte. Manche Abschnitte konnte man als Pässe bezeichnen, zwischendurch schöne Aussichten in Täler und auf Hügelketten. Man könnte so manche Pause einlegen, die Orte wurden wieder lebendiger. In Grosseto fuhren wir in die Stadt und kauften noch in einem etwas schmuddeligen, aber bestens bestücktem PAM-Supermarkt ein. Weiter ging es Richtung Castagneto Carducci.

Zum Mittagessen verirrten wir uns in einen Ort namens Gavorrano. Die laut Inschrift über dem Eingang als Osteria bezeichnete Gaststätte war ein Ristorante. Wir wählten ein einzelnes Essen als Prima Piatti, das man zu Recht als äußerst mager bezeichnen darf, trotz gehobener Preislage. Dazu versalzen und fettig. Ich dachte an die perfekte Pizza in Pitigliano zurück, viel besser trotz des halben Preises. Wir verbuchten das Erlebnis im großen Buch der Schicksalsschläge. Nach fast drei Stunden inklusive Pausen und Einkaufen landeten wir in Castagneto Caducci. Mit etwas Suchen fanden wir unsere Unterkunft, sie entsprach der Beschreibung. Ein Cottage für Frischluftfreunde. Schlafen, Duschen und Abspülen fand im Haus statt, die Terrasse war Wohnzimmer, Esszimmer und Küche. Wenn man wollte, konnte man auch draußen duschen. Vor der Terrasse Acker mit Oliven, Kirschenbäumen und anderen Obstsorten. Im Hintergrund der eigentliche Ort Castagneto Carducci.

Unser Garten in Donoratico

Unser Garten in Donoratico

Das Wetter war bedeckt, aber trocken. Wir nahmen unsere neue Behausung in Besitz, schauten in die vor uns liegende Olivenplantage, saßen noch länger auf dem Sofa auf der Terrasse und hofften nun auf mehr Abwechselung und Beschäftigung. Einsicht in unsere Terrasse hatte niemand, nur ein paar Libellen, die herum surrten. Endlich mal in Unterhose frühstücken. Eins gab es in Donoratico, was es in Trevinano nicht gab, und was uns manchmal ziemlich nervte: Tigermücken.

Sonntag, 18. September: Donoratico, Castagneto Carducci und Marina

Früh am Morgen weckte uns nicht nur heftiger Regen, sondern auch ein Gewitter mit für uns ungewöhnlicher Heftigkeit. Erst wollten wir diesen Tag wettermäßig schon abschreiben, jedoch am Vormittag endete der Regen und es klarte auf.

Castagneto Carducci

Castagneto Carducci

Ein erster Abstecher in der neuen Umgebung führte uns wenige Kilometer nach Castagneto Carducci. In banger Erwartung, ob wir wieder in ein totes, abgelegenes Dorf kommen würden, bestätigte sich nicht. Castagneto Carducci ist, wie so oft hier, ein kleines Dorf auf einem Hügel, 190 Meter über dem Meer gelegen, mit einigen Geschäften, vielen Leuten auf den Straßen, richtig bewohnt und auf seine Weise putzig. Zwei Restaurants, die aber auch Pizza und Salate anbieten, liegen an der Hauptgasse. Wir nahmen das zweite, Sapori Mediterranei, oben zur Kirche hin, saßen an der Mauer bei Sonnenschein und schönem Ausblick bis auf das Meer. Sehr gute Pizza, ein sorgfältig angerichteter Salat und flotte Bedienung empfahlen das Ristorante für weitere Besuche. Und ja, man kann dort am Nachmittag auch nur einen Cappuccino trinken. Nur der Herr am Nebentisch ging mit seinem Wunsch nach alkoholfreiem Bier leer aus. Ein Volk, das alkoholfreies Bier trinkt, hat keine andere Regierung verdient.

Marina di Castagneto Carducci

Marina di Castagneto Carducci

Zur weiteren Orientierung fuhren wir noch über unseren temporären Wohnort Donoratico ans Meer, nach Marina di Castagneto Carducci. Erwartet hatten wir ein ähnliches Bild wie im letzten Jahr in Viareggio. Zum Glück kam es nicht so. Zwar ist der Strand und der kleine Ort davor im Sommer weitgehend überlaufen, im September ist es ruhig und überschaubar. Dazu ist es keine Aneinanderreihung von riesigen Hotelburgen, sondern es sind nur ein paar Hotels mit wenigen Stockwerken. Dass dieser Bereich der Küste so beliebt ist, liegt nicht nur am 15 Kilometer langen Strand, sondern auch daran, dass 13 davon kostenfrei zugänglich sind.

Lessons learned: Das italienische Mautsystem

Autobahnen in Italien sind mautpflichtig. Dafür haben sie, im Vergleich zu den anderen Straßen in Italien (der hohe Norden ausgenommen) den Vorteil, in gutem Zustand zu sein. Der Preis pro Kilometer für die Autobahnen ist unterschiedlich. Aber nicht nur das, sondern auch unterschiedliche Anwendung der Mautpflicht haben mir gelegentlich den Schweiß auf die Stirn getrieben.

Grundsätzlich kommt man vor Auffahrt auf die Auto Strada, nur das sind Autobahnen, an eine Mautstelle. Dort zieht man ein Ticket, manchmal muss man es mit einer roten Taste erst anfordern, manchmal erkennt die Mautstation das Auto und rückt das Ticket automatisch heraus. Nach Öffnen der Schranke fährt man auf die Autobahn. Bis dahin ist die Sache überschaubar. Kryptisch kann es beim Abfahren von der Autobahn werden.

Die Mautstation bei der Abfahrt hat meistens drei Bereiche, für Bargeld, für Karten und für die TeleCard. Die meisten Autos stehen in der Regel im Bereich Bargeld. Schneller kommt man durch, wenn man mit Kreditkarte bezahlt, akzeptiert sind in der Regel Master Card, Visa und einige andere. Unsere EC-Karten gehen nicht, auch nicht mit dem Maestro-Zeichen. Und immer mit dem Chip voran nach oben einschieben, sonst bekommt man seltsame italienische Hinweise. Von den Schaltern für die TeleCard sollte man sich fernhalten, das sind italienische Karten, die man wie eine EC-Karte mit Bargeld aufladen kann. Bis dahin ist es übersichtlich. Eigentlich.

Fährt man zum Beispiel in Livorno auf, bekommt man ein Ticket. In Mailand fährt man zwangweise wieder ab, bezahlt sein Ticket, bekommt aber kein neues. Verlässt man Mailand wieder, kommt man an eine Mautstation, hat aber kein Ticket mehr. In diesem Fall wurde ich unruhig, denn ich sah die Fahrer vor mir bezahlen. Wie sollte ich, ohne Ticket. Dann wurde beim Anfahren an die Zahlstelle die Lage klar. Es musste immer der Betrag von drei Euros eingeworfen werden, weil das Fahren im gesamten Bereich Mailand immer mit einem Festbetrag abgegolten wird. Überhaupt ist das italienische Mautsystem merkwürdig. Fährt man zum Beispiel vom Brenner kommend auf, bekommt man ein Ticket. Fährt man nach hundert Metern in Sterzing wieder ab, muss man 1,30 Euro bezahlen. Ein Mordspreis für 100 Meter Autobahn.

Montag, 19. September: Strandtour Richtung San Vincenzo, Abstecher nach Bolgheri

Uns war nach Bewegung im Freien zumute. Was sich demnach anbot, war eine Strandtour von Marina di Castagneto Carducci Richtung San Vincenzo. Auch das Wetter hatte sich wieder auf den alten Stand gebracht, angenehme Luft bei warmer Sonne.

Kieselpleks

Kieselpleks

Von Marina di Castagneto Carducci geht der Strand in scheinbar endlose Weite nach Süden, in Richtung des Ortes San Vincenzo. Zuerst besteht der Strand noch aus Sand mit Flächen aus ganz feinem Kiesel. Es sind Kieselsteine, die das Meer in langer mühseliger Arbeit zu kleinen runden Steinchen geschliffen hat. Darunter finden sich jede Menge Plecs für Gitarristen der härteren Gangart, so lange das die Saiten mitmachen. Je weiter südlich man kommt, desto mehr Sand gibt es, bis der Strand nur noch aus feinem Sand besteht. Müll hält sich in Grenzen, Treibholz weniger.

Marina de Castagneto Carducci

Marina de Castagneto Carducci

Der Unterschied zu den Gebieten weiter nördlich ist der, dass keine endlosen Hotelburgen direkt am Strand liegen, sondern weiter im Hinterland mit Zugängen an den Strand. Vom Strand aus sieht man sie nicht. Das sind die kurzen Abschnitte, wo wie an der Perlenschnur aufgereiht Liegestühle und Sonnenschirme stehen. Das sind dann aber mal hundert Meter an nicht freiem Strand, der Rest ist offen. Wobei „frei“ relativ ist, man darf die Liegen nicht benutzen, aber es kann einem keiner verbieten, dort zu baden.

Marina de Castagneto Carducci

Marina de Castagneto Carducci

Wir arbeiteten uns fast zwei Stunden nach San Vincenzo, wollten eigentlich noch bis dort gehen, aber es meldeten sich Hunger und Cappuccino-Bedarf. Der Rückweg würde dann zu lang. Wir kehrten um. An diesem Strandabschnitt hatte ich zwei große weiße Zelte gesehen, wie für Veranstaltungen oder Konzerte. Beim letzten, von Marina di Castagneto Carducci gesehen, blitzte durch die Dünen das Dach eines Cafés durch, dort bogen wir in die Dünen ab. Es war ein Teil der Anlage Paradu Resorts, es gab dort einen Pool nur für Gäste der Anlage, aber das Café mit kleinen Pizzas, Panini, Obstsalat und Getränken war offen. Und alles, was man sonst an Infrastruktur braucht.

Gestärkt versuchten wir, uns in den Pinienwald hinter dem Strand zu orientieren, was nicht funktioniert. Also gingen wir am Strand wieder zurück bis Marina di Castagneto Carducci. Danach merkten wir die Beine doch deutlich, es mussten so um die zwanzig Kilometer gewesen sein, die wir zurück gelegt hatten. Spaß hat es doch gemacht, wenn auch ein paar mehr Muscheln hätten zu finden sein sollen.

Bolgheri

Bolgheri

Nun könnte man diesen Tag als gefüllt abhaken, doch wir wagten noch einen Abstecher nach Bolgheri, der Hügel westlich von Castagneto Carducci. Auch wieder ohne große Erwartungen. Wir waren wohl etwas vorgeprägt. Bolgheri ist ein Mini-Dorf, wieder auf einem steilen Hügel, gemütlich, aufgeräumt, dieses Mal mit einem Dutzend Weinhandlungen.

Der Bolgheri-Wein schickt sich an, seinen Konkurrenten aus Chianti und Montepulciato den Rang abzulaufen. Sogar eine Kaffee-Boutique findet sich, mit eigenen Pads und Kapseln. Ein bisschen Kunsthandwerk, ein bisschen Andenken. Aber alles in Grenzen, das alte Dorf ist zu erkennen und lebt noch.

Dienstag, 20. September: Volterra

Volterra

Volterra

Noch einen Städtebesuch wollen wir uns leisten. Volterra ist die alte Etruskerstadt, der Stadtring ist im 4. Jahrhundert v. Chr. angelegt worden. Dazu ist Volterra die Stadt des Alabasters, dem Stein, der Marmor ähnlich, aber leichter zubearbeiten ist. Entsprechend ist Volterra voll mit Läden und Produkten aus Alabaster, von der Schmuckdose bis zum Aschenbecher und von Putten bis zum Schachspiel. Die Bandbreite reicht dabei vom absoluten Kitsch bis hin zu wirklich schönen Dingen, abhängig vom eigenen Geschmack.

Was man auch findet, sind Kunsthandwerker, wie ein Atelier mit Bronzearbeiten. Wir kamen tatsächlich mal nicht umhin, tatsächlich etwas zu kaufen. Eine Reproduktion eines mittelalterlichen Kreuzes und ein etruskisches Pferd. Das will bei unserer konsequenten Konsumverweigerung schon etwas heißen, es gab tatsächlich eine Menge netter Sachen in diesem Laden. Überhaupt war ich manchmal erstaunt, wie eher weniger Schrott als Souvenirs zu finden sind..

Volterra

Volterra

Volterra ist eine größere Stadt mit entsprechend vielen Einkaufsstraßen und Läden. Was das Flair der Stadt angeht, waren wir etwas enttäuscht. Zwar ist Volterra schon einen Besuch wert, aber gegen das Gotham City der Toskana, nämlich Siena, kann Volterra nicht anstinken. Auch mittelalterliche Aspekte fallen gegenüber Pitigliano nicht so sehr ins Gewicht, weil Volterra mehr und breitere Straßen hat. Auch in Volterra sind kleine Gassen und Winkel zu finden, am Rand der Stadt gibt es abenteuerliche Ausblicke vom Hügel über das Umland. Nach Lucca, Siena, Pisa, Pitigliano oder Pienza hatte Volterra nichts wirklich Neues zu zeigen oder zu bieten. Wer gerade in der Gegend ist, kann mal einen Blick hinein werfen. Wir haben trotzdem einige Stunden dort verbracht, weil es eine Menge interessanter Läden gibt. Man muss ja nichts kaufen, aber das Ansehen der vielen Sachen macht schon Spaß.

Zwar waren es von Castagneto Carducci nach Volterra immerhin gut 40 Kilometer, auf den eher geraden Strecken in halbwegs gutem Zustand auf der SP68 war der Ausflug dann gegenüber dem Gekurve im Latium eine Erholung.

Mittwoch, 21. September: San Vincenzo, Strand und Baratti

Auf unserer Strandtour wollten wir eigentlich bis San Vincenzo gehen, hatten aber vorher verweigert. Zu Recht. San Vincenzo wollten wir nun noch nachholen. Nicht zuletzt wegen dieses Videos über den Strand in der Gegend.

San Vincenzo

San Vincenzo

San Vincenzo kam im Reiseführer von Michael Müller nicht gut weg. Für seinen Stil könnte man sagen, sein Urteil war vernichtend. Womit er weitgehend Recht hat. San Vincenzo hat wenig zu bieten außer einer großen Marina, in der von ein paar Jollen und Einmastern bis zu Hochseejachten der Luxusklasse alles zu sehen ist. Die Marina ist relativ neu, die Hafenmauer an der Meerseite kann begangen werden und führt bis zu einer großen Statue. Wer Spaß an Booten hat, ist in der Marina von San Vincenzo gut aufgehoben und beschäftigt.

San Vincenzo

San Vincenzo

Der Gang durch den Ort war keine Erleuchtung. Eine für hiesige Verhältnisse moderne Fußgängerzone ohne Highlights. Viele Restaurants öffnen um diese Jahreszeit erst am Abend, der Rest rangiert auf dem Level Pommesbude bis Schnellimbiss. Gleiches gilt für die Lokale am wenigen Strand im Ort. Einzig die Buchhandlung fällt etwas heraus, sie bietet einige Wanderkarten und ein paar geschmacksfeste Souvenirs an. Die Innenstadt von San Vincenzo passt nicht in die Toskana, wer noch über sie hinaus geht, findet kaum Nennenswertes. Der Ort wirkt steril und lieblos. Vor allen Dingen fanden wir in San Vincenzo keinen Strand, an den wir uns freiwillig gelegt hätten. Den fanden wir eher durch Zufall.

San Vincenzo

San Vincenzo

Bleibt man von San Vincenzo aus auf der Küstenstraße Richtung Süden, kommen auf der rechten Seite zehn Zugänge zum Strand, jeweils mit kostenlosen Parkplätzen. Alle Zugänge führen zum freien Strand herunter, zwischen den Zugängen parallel zur Straße verlaufen Fußwege durch den Wald und verbinden die Wege. Große Tafeln informieren darüber, was an welchen Zugängen verfügbar ist. Das Angebot reicht von Toiletten, Toiletten plus Duschen, Toiletten plus Duschen plus Bistros oder Cafés. Der Strand ist in diesem Sinne nicht gepflegt, aber naturbelassen kann manchmal auch recht nett sein. Auf jeden Fall eine Gelegenheit zum Baden und Sonnen ohne zusätzliche Kosten. Leider war das große Bistro am Zugang 4 schon geschlossen, in der Hochsaison kann man dort einiges an Essen bekommen, zu zivilen Preisen. Cappuccino zu 1,50 Euro. Das Maß aller Dinge. Überhaupt haben wir hier das Ende der Saison am deutlichsten gemerkt, auch wenn in Castagneto Carducci davon noch relativ wenig zu spüren war.

Golfo di Barrati

Golfo di Barrati

Wir fahren noch ein Stück weiter Richtung Barrati. Barrati ist kein Ort im eigentlichen Sinne, sondern ein Hafen für kleine Boote, dazu ein Restaurant und davor eine Bar mit Getränken, Antipasti und Sandwiches, Barracchia di Barrati. Bekannter ist Barrati für den archäologischen Park kurz vor der Bucht. Genaueres beschreibt Michael Müller in seinem Reiseführer.

Auf der Halbinsel von Barrati und Populonia, hinter dem Restaurant, fanden wir noch eine große Tafel mit Wanderwegen. Aber dafür ist es jetzt schon zu spät. Zurück nach Donoratica. Wir hatten heute Stadt, Strand und Meer. Genug für einen Tag. Die ToDo-Liste könnte noch reichlich wachsen, aber es bleiben nur noch zwei Tage. Der Wetterbericht meldet für die nächsten Tage gutes Wetter mit bis zu zwölf Sonnenstunden. Ein Gewitter heute Abend hat Pisa erwischt, hier blieb es trocken, auch wenn es am Abend doch angenehmt abkühlt.

Lessons learned: Das Rätsel der eingetrocknete Pferdeäppel

Pferdeäppel?

Was da in Mengen an die Strände angespült wurde, gab uns zuerst ein Rätsel auf. Zum Teil perfekt kugelig, mal abgeplattet und immer noch ideal rund, scheinbar doch pflanzlichen Ursprungs. Erst ein Schild in San Vincenzo löste das Rätsel.

Es ist eine Grasart, die vor 120 Millionen Jahren ihren Lebensraum vom Land ins Wasser verlegte. Dort bildet sie nun große Teppiche am Meeresboden. Wenn Zweige absterben, das sind die Gebilde unten, zerfallen sie sehr schnell im Wasser. Nur eben die Halme nicht. Die kugelt das Wasser im Bereich des Strandes zusammen, dabei entstehen eben diese eingetrockneten Pferdeäppel. Ganz einfach, wenn man es weiß.

Donnerstag, 22. September: Golfo di Barrati, Populonia Alta

Keine Wolke am Himmel, die Sonne brachte die Butter auf dem Frühstückstisch auf der Terrasse zum Zerlaufen. Und doch wollten wir endlich gerne auf die Beine und eine Runde machen. In Barrati hinter dem Hotel und Restaurant hatten wir eine große Tafel gesehen, auf der Wanderwege eingezeichnet waren. So fuhren wir dahin zurück und machten uns auf den Weg.

Barrati

Barrati

Schaute man genauer hin, sind es eine ganze Reihe von Wanderwegen, die in verschiedenen Kombinationen gegangen werden können. Wir entschieden uns für den Aufstieg nach Populonia, ein ganz kleines Örtchen, das im Winter nicht einmal bewohnt ist. Der Weg führte leicht bis mittelstark ansteigend um den Hügel herum, an dem Populonia liegt. Dabei gab es schöne Ausblicke in die Bucht von Barrati, auch auf Elba und Korsika.

Durch den wolkenlosen Himmel und die klare Sicht leuchtete das Meer in tiefen Blau- und Türkisfarben, wie man es nur selten so sieht. Leider war der Weg zum Teil den Herbststürmen in 2015 zum Opfer gefallen. Ein solcher verlustig gegangener Teil musste durch einen Nebenweg durch den Wald ersetzt werden, an einer weiteren Stelle war es etwas schwieriger, man musste durch das Geröll eines Erdrutsches, wenige Meter unterhalb ging es steil herunter in die Klippen. Solides und rutschsicheres Schuhwerk kann auch auf scheinbar einfachen Wegen von Vorteil sein. Ansonsten war der Weg jedoch gut zu gehen und ziemlich abwechslungsreich.

Populonia

Populonia

Nach gut zweieinhalb Stunden erreichten wir Populonia, das aus einer großen Zitadelle und zwei parallelen Häuserreihen besteht. Auf den wenigen Metern, die die Straße durch den Ort bilden, liegen dafür vier Lokale. Wir entschieden uns für das erste, Trattoria di Populonia. Es gab nur einige wenige warme Gerichte als Tagesangebote, dafür bestand die Speisekarte aus vier oder fünf Seiten mit Salaten aus allen denkbaren Kombinationen. Eben grüne Salate und allem anderen Gemüse, Obstsorten, Bohnen, auch Fisch oder Fleisch. Wer hier keinen passenden Salat findet, ist selbst schuld.

Weg nach Populonia

Weg nach Populonia

Den Fußweg wieder herunter nach Barrati hatte ein anderer Erdrutsch zerstört, so ging es die wenigen Kilometer zurück und zum täglichen Cappuccino an der wenig befahrenen Straße entlang. Insgesamt ist die Länge der Wege rund um Barrati mit zwei bis fünf Stunden angegeben. Loben muss ich die hervorragende Ausschilderung. An jeder Abzweigung stehen große Schilder mit dem Wegenetz und zusätzlichen Hinweisen, welcher Weg nun wohin führt. Es war kaum möglich, mit etwas Ortskenntnissen in die falsche Richtung zu laufen.

Golfo di Barrati

Golfo di Barrati

Der Rest des Nachmittages gehörte dem Strand an der Bucht von Barrati. Er liegt schräg gegenüber dem Hafen, hat einen eigenen Parkplatz zu nicht ganz fairen Preisen. Auch fand ich den Strand südlich von San Vincenzo breiter und etwas sauberer, dazu etwas leerer. Dafür entschädigt hier das Panorama der Bucht.

Ein guter Tag mit blendendem Wetter, einiger Bewegung und schönen Aussichten auf die Toskana an der etruskischen Küste.

Lessons learned: Wandern in der Toskana

Was Wandermöglichkeiten angeht, bin ich von England und Wales etwas verdorben. Dort ist Wandern Volkssport, nicht zu wandern geradezu ein Frevel. Wenige andere Gegenden haben ein so ausgebautes, gepflegtes und dokumentiertes Netz an Wanderwegen wie die britischen Inseln, Irland eingeschlossen. Südtirol und Süddeutschland haben ähnliche Wanderstrukturen. Die Toskana ist von einem Wandergebiet noch weit entfernt. Die Ordnance Survey-Karten listen jeden erdenklichen Wanderweg auf den britischen Inseln nach Graden und Zuständen auf. In der Toskana ist man schon glücklich, mal eine Karte im Maßstab 1:25.000 zu bekommen. Und darin ist kein einziger Wanderweg markiert. Für unseren ersten Versuch im Latium war das sogar korrekt so, da gibt es keine.

In unserer zweiten Gegend, der etruskischen Küste, gibt es erste Versuche. Barrati hatte ich beschrieben. Südlich von Marina di Cecina gibt es einen kilometerlangen Pinienwald, in dem Wanderwege ausgezeichnet sind. In den Naturpark Maremma dürfen nur Wanderer, Radfahrer und Reiter, dort gibt es ein ausgeschildertes Wegenetz. Für einige andere Gegenden listet Michael Müller auf, dass es dort Versuche gibt, das Wandern zu etablieren. Aber es bleibt dünn. Dabei gibt es doch Wanderrouten, nur sind die von den Tourismusstellen in der Toskana bisher ignoriert. Man muss sich im Netz vor dem Urlaub auf den Weg machen, nach Wanderrouten suchen. Einige Wanderclubs haben Strecken dokumentiert, auch manche lokale Sites. Bei vielen Strecken gibt es jedoch keine Wegmarkierungen, man muss einige Übung und ausreichend Orientierungsvermögen haben, um durch zu kommen.

Die Toskana ist (noch?) kein wirkliches Wandergebiet wie die sächsische Schweiz, Thüringen, Kärnten, Südtirol oder der Lake District. Es ist auch die Frage, ob man im Juli oder August wirklich Lust hat, bei über 30 Grad und brennender Sonne durch die Gegend zu laufen. Wenn das Wandern absolute Priorität hat, gibt es bessere Gegenden. Entweder man nimmt ein paar Regentage und eher kühleres Wetter in Kauf, dann in den Lake District oder in die Yorkshire Dales in Nordengland, oder nach Snowdonia im Norden von Wales. Oder man erträgt die nicht selten kitschige Atmosphäre und wandert in Südtirol. Sogar der Harz oder der Schwarzwald können dann eine Alternative sein. Das Kernangebot der Toskana ist ein anderes, nämlich Meer und Strände, Dolce Vita, urige uralte Städte und Kultur. Und an den Stränden in der Toskana kann man schon verdammt lange wandern. Bis zum nächsten Cappuccino.

Freitag, 23. September: Rückfahrt

Am Morgen geht es zurück Richtung Heimat. Zuerst die SS1 bis kurz vor Livorno, auf die Auto Strada, am Comer See vorbei Richtung St. Gotthard-Tunnel. Bis dahin ging alles seinen Weg, nur ein Stau vor dem Tunnel kostete fast eine dreiviertel Stunde. Nach dem Gotthard-Tunnel machte das Navi, was es wollte. Statt uns direkt Richtung Bregenz zu lenken, führte es uns erst nach Westen, dann rund um Zürich, um erst dann den einfachen Weg nach Österreich zu nehmen. Es hilft, wenn man doch weiß, wo man her muss, anstatt sich auf das Navi verlassen. Grund für die Spinnerei war, dass im Navi die dynamische Routenführung aktiviert war. Fährt man dann einmal falsch ab, berechnet das Navi eine neue Route, statt einen auf die vorherige zurück zu holen. Das machte das Navi. Und wir kamen an Zürich und Raperwill vorbei. Über eine Stunde Verlust war das Resultat.

So kamen wir erst gegen neun an unserer Unterkunft an, dem Hotel Weißes Ross in Langenau. Für die Strecke Langenau nach Nienhagen brauchten wir zum Glück kein Navi mehr.

Lessons learned: Fazit

Trotz der etwas zähen ersten Woche in Trevinano war es schöner Urlaub, zwei Wochen, die sich wie drei anfühlten. Drei Gegenden in der Toskana haben wir nun kennengelernt. Drei Gegenden, die alle ihre Eigenarten hatten, ihre Vor- und Nachteile.

Die Wahl von Camaiore in 2015 war blauäugig. Zwar war unser Ferienhaus Rossana hoch oben in Metato gelegen, das Dorf nicht für Autos erschlossen, gut 20 Minuten über Bergstraße von Camaiore entfernt, Parkplätze unterhalb des Dorfes ein Kampf, aber wir haben uns dort sehr wohl gefühlt. Ein nettes Haus, mit fantatischem Ausblick von der kleinen Terasse und in das Dorf integriert. Einige Wanderwege gehen direkt ab Haus los. Aber Camaiore ist kein Ferienort, wenn auch insgesamt ganz nett und mit ausreichender Infrastruktur. Der Strand Lido di Camaiore ist ein Graus mit Hotelburgen und Kilometern von privaten Stränden. Dafür hat Camaiore den Vorteil, dass nördlich und östlich in den Apulischen Alpen reichlich Wandermöglichkeiten bestehen. Was man am ersten Buch unten in der Liste feststellen kann. Vorteil ist auch die Nähe zu Lucca und Siena. Im Nachhinein betrachtet war es gar nicht übel dort.

Die Entscheidung für Trevinano war ein Fehlgriff. Zwar war die Ferienwohnung wirklich in Ordnung, aber in der östlichen und südöstlichen Toskana kann man ein paar nette Orte besuchen, jedoch sonst wenig tun. Wandern ist weitgehend ausgeschlossen. So wurde es dort schnell langweilig.

Castagneto Carducci war dagegen eine Erholung. Nicht nur das Häuschen war ein echter Glücksgriff, auch die Vermieter sehr nett und hilfsbereit. Wenige Kilometer bis zum Strand in Marina di Castagneto Carducci, wenige Kilometer bis ins Dorf Castagneto selbst. Der Supermarkt Conad nahe unserer Bleibe in Donoratico ist groß und gut sortiert. Viele Ausflüge sind möglich, wie in den obigen Abschnitten zu lesen, und wir hätten noch eine lange Liste mit zusätzlichen Aktionen aufstellen können. Eine schöne Gegend. Was das Wandern angeht, wäre mehr möglich gewesen, wenn man etwas besser vorher recherchiert hätte. Es gibt in der Tat dort Wanderwege, nur sind sie sehr versteckt.

Nun wird die Toskana sicher nicht meine Lieblings-Urlaubsgegenden Wales und England ablösen können, doch die Toskana ist eine wertvolle Ergänzung. Ich mag diese Gegend, das Essen und Trinken, und einfach die Atmosphäre dort. Ich bin kein Strandmensch, doch ich mag die Strände und ich liebe einfach das Meer. Davon gibt es an der etruskischen Riviera mehr als genug. Wird demnach nicht der letzte Urlaub in der Toskana gewesen sein. Nur wird die nächste Planung und Vorbereitung eine andere sein.

Die Bücher

Für die nördliche Toskana hat sich der Wanderführer aus dem Rother-Verlag bewährt. Beschrieben werden 50 Touren zwischen Massa und Florenz in allen Schwierigkeitsgeraden. Das Buch zeigt, dass der Norden der Toskana das bessere Wandergebiet ist.

Angaben zu Anfahrten und Parkmöglichkeiten sind nicht mehr auf dem neusten Stand, das ist aber zu verschmerzen. Die Beschreibungen selbst sind durchweg genau und auffindbar. Es sind sehr interessante und schöne Touren enthalten.

Toskana-Süd

Die Version für den Süden beschreibt überwiegend den Bereich Siena, Maremma und Chianti. Gleiche Qualität, gleicher Autor.

Als Reiseführer leistet das Buch aus dem Michael-Müller-Verlag gute Dienste. Es beschreibt für die gesamte Toskana Städte und Orte mit historischen Daten und Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hotels bis hin zu Einkaufsmöglichkeiten. Dazu einige Wander- und sogar Fahrradtouren und vieles mehr. Ich würde es so charakterisieren: für den ernsthaft und interessiert Reisenden unverzichtbar. Wer diesen Wanderführer hat, braucht keinen anderen mehr, der Rough Guide für die Toskana. Michael Müller muss tatsächlich viele Angaben aus eigener Quelle schöpfen, sonst wären sie nicht so genau, detailliert und zutreffend. Und man lernt noch gleich die Unterschiede zwischen Ristorante, Pizzeria, Osteria und Bar.

Erst später gefunden: KOMPASS Wanderführer + Karte Toskana, 50 Touren in der gesamten Toskana, Schwerpunkte sind Nordtoskana und Chianti-Gebiet sowie Maremma. Mit einer Karte mit Ausschnitten zu den Touren im Maßstab 1:65.000. Drei unserer Runden standen auch drin.

Noch nicht praktisch erprobt.

Karten

Auch in der Toskana gibt es Karten in einer 1:25.000-Darstellung mit Details zu Wegen und Nebenstraßen. Nicht immer sehr aktuell, aber gelegentlich hilfreich. Im Gegensatz zu den deutschen topografischen Karten sind keine Wanderwege eingezeichnet. Die Karten helfen nur grob bei der Orientierung. Erhältlich in richtigen Buchhandlungen, gelegentlich in gut sortierten Tabacchis.

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