Zuerst wollte ich eigentlich nur eine Woche in die Cotswolds. Dann dachte ich so, wenn ich schon unterwegs bin und auf der Insel, könnte ich doch noch eine Woche anhängen und so mal wieder länger Sprache und Landschaft genießen. Erst wäre ich für die zweite Woche beinahe wieder in den South Downs gelandet. Doch dann meldete sich ein B&B zurück, aus einer schnell gefundenen Alternative: die walisischen Brecon Beacons, der kleine Nationalpark nördlich von Cardiff Swansea mit seinen Bergen. Leider nur für sechs Übernachtungen, aber das muss reichen. Wegen der langen Strecke sehe ich so endlich wieder mein Zimmer Blenheim im Churchill Guesthouse in Dover. Inzwischen hat Alistairs Sohn Alex das Ruder im Bed and Breakfast seines Vaters übernommen. Irgendwann Mitte der Neunziger war ich zum ersten Mal da, und seitdem immer wieder froh, die vertrauten Flure und Zimmer zu sehen. Wenigstens dieses Mal keinen Stress mit dem kleinen Drachen und dem kleinen Löwen auf der Rückbank. Jeder kommt wieder nach Hause. Also beginnt die Reise in den Cotswolds, bevor wir dann nach Wales weiter ziehen.
Schon so oft auf der Reise nach Wales dran vorbei gefahren, ohne einen Abstecher. Aber auch eine britische AONB (Area of Outstanding Natural Beauty), nämlich seit 1966. Die Cotswolds sind eine Region Englands, die mitunter auch als das Herz Englands bezeichnet wird. Es handelt sich um eine hügelige Landschaft, die von Südwesten nach Nordosten durch sechs Grafschaften verläuft. Zu diesen Grafschaften gehören Gloucestershire, Oxfordshire und Warwickshire. Im Norden werden die Cotswold Hills durch den Fluss Avon begrenzt, im Osten durch die Stadt Oxford, im Westen durch Cheltenham und im Süden durch das Tal der Themse und Städte wie Lechlade und Fairford am River Coln. Mit den South Downs haben die Cotswolds das Hügelige und Grüne gemein, auch wenn die South Downs ein bisschen höher sind. Weiter westlich in den walisischen Brecon Beacons geht es tatsächlich höher hinauf, auf die Zwillingsgipfel Pen y Fan (886 m) und Corn Du (873 m) oder auf den Cribyn mit immerhin 795 m. Mit der Sicht auf das Meer sind das schon spürbare Höhen.
Lessons learned: Book earlyErste Versuche, ein B&B in den Cotswold Hills als Bleibe zu finden, waren wenig erfolgreich. In den Brecon Beacons das gleiche Spiel. Für Aberystwith oder Machynlleth genau so keine Chance. Wie die Deutschen scheinen die Briten zunehmend Urlaub im eigenen Land zu machen. Was gerade nach dem Absturz des britischen Pfundes nicht unplausibel ist. Dazu sind die Preise für Hotels, auch wieder im Vergleich zu South Downs, Snowdonia oder Gower, gesalzen. Geschenkt bekommt man jedoch eben so in den Lakelands nix. Dann doch eine positive Antwort, dazu aus der angezielten Gegend: The Lowerfield Farm. Sieben Nächte inklusive cooked breakfast für 542 £ die Woche, nicht weit von Broadway, in der Nähe von Willersey. Broadway ist kein großer, aber netter Ort mit einigen Cafes und Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf zum Wandern. Selbst im Flecken Willersey, in dem dieses B&B liegt, gibt es einen kleinen, für seine Größe gut sortierten Laden mit Obst, Gemüse und Toast. Wenn doch etwas mehr Großstadt gewünscht wird, liegt im Osten Worcester, dort finden sich dann auch Tesco, Waitrose und Konsorten. Für Tee, Marmelade und Demerara. Die Cotswolds sind nach den „großen“ Wandergebieten wie Lake District, Snowdonia, Yorkshire Dales und Peak District als Urlaubsziel sehr beliebt. Genau deshalb fahre ich ja auch dorthin. Der Broadway Tower eines der bekanntesten Fotomotive aus der Region. Dementsprechend gut gebucht sind Hotels und Cottages, als Besucher der Cotswolds im Mai und Juni kommen eher kinderfreie ältere Semester, im Hochsommer viele Familien. Zum Herbst hin kehren die Oldies zurück und nutzen die wieder fallenden Preise. Auch die Fährpreise sind im Frühsommer ziemlich hoch, meine Überfahrt Calais/Dover und zurück kostete 147 Euro (Stand Mai 2018). |
Karten und mehr
Für die eine Woche reicht ein Buch, aus einem Verlag, auf den ich mich inzwischen gerne verlasse: Ordnance Survey Pathfinder Guides: The Cotswolds. Passende Karte ist Ordnance Survey Explorer Map OL45 (1:25.000). Für Wales kann ich noch auf Karten und Bücher aus meiner walisischen Historie zurück greifen. Denn ich war schon mehrmals dort, in den Brecon Beacons in 2006. Mehr dazu bei den Büchern.
Lessons learned: Lime and woolDie Cotswolds gelten den Reiseführern nach als das wahre England, was aber aus meiner Sicht für Sussex, Hampshire, Surrey und Somerset genau so gilt. Besiedelt war diese Gegend schon in der Steinzeit, der Boden ist fruchtbar, das Wetter eher mild und ausgeglichen. Die meisten dokumentierten Spuren stammen aus dem Neolithikum, am östlichen Ufer des Severn wurde ein von Verteidigungswällen umgebenes Dorf aus der Zeit um 400 v. Chr. gefunden. Die Römer errichteten die ersten Städte hier, wie Corinium (Cirencester), Aquae Sulis (Bath) oder Vertis (Worcester). Die Herkunft des Namens Cotswolds ist nicht ganz geklärt, stammt aber wohl von den Angelsachsen. Wold ist ein Bergland, Cod war der Name eines Häuptlings, der sich hier niedergelassen hatte und die Gegend lange Zeit regierte. Zuerst galt der Name nur für die Gegend um den Ort Windrush, später wurde die ganze Gegend so genannt. Eine Parallele zu Snowdonia. Nach den Angelsachsen kamen ab 1066 die Normannen, die Prägung der ganzen Midlands, zu denen die Cotswolds gehören, ist jedoch bis heute immer noch eher angelsächsisch, was man an den Namen erkennt. Zum 14. Jahrhundert hin entwickelte sich der Bereich zu einem Zentrum der Wollerzeugung, weshalb manche Kirchen hier als Wollkirchen bezeichnet werden. Bis zum 17. Jahrhundert hielt diese Entwicklung an, die Bevölkerungsdichte wuchs erheblich, weil viele Arbeitskräfte benötigt wurden. Gebaut wurden Häuser und Kirchen aus dem Kalkstein, der geologisch vorherrscht, was bis heute den Stil der Orte prägt. Da es dieses Material in vielen Schattierungen gibt, von Gelb über Ocker bis ins Hellbraune, wirken die Orte zwar nicht gerade farbenfroh, aber dafür warm und heimelig. Mit dem 19. Jahrhundert und der beginnenden Industrialisierung geriet die Wollproduktion ins Hintertreffen, weil es in den Cotswolds keine Kohle gibt. Nur mit Wasser- und Windantrieb kam man gegen die großen industriellen Betriebe in Birmingham und London, aber auch gerade in Flandern, preislich und mengenmäßig nicht mehr an. Die Wollerzeugung wanderte ab. Heute wird zwar immer noch Wolle produziert, aber auf qualitativ hochwertigem und hochpreisigem Level. Das Fehlen von Kohle und Erz hat die Cotswolds von der um sich greifenden Industrialisierung verschont. Was diese aus manchen Gegenden gemacht hat, davon kann Südwales ein Lied singen. Erst langsam erholen sich Bereiche wie Swansea von der radikalen Ausbeutung des Bodens. Landwirtschaft ist bis heute in den Cotswolds neben dem Tourismus die wesentliche Einnahmequelle. Die Landwirtschaft konzentriert sich überwiegend auf die Täler und wenigen Hochflächen, so dass es immer noch einige unberührte Waldgebiete und Hügelketten gibt. Jedoch waren die Cotswolds nie eine arme Gegend, nach der Wolle florierte die Landwirtschaft. Im 20. Jahrhundert ging es dann erst recht aufwärts. Die Cotswolds sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts Rückzugsort reicher Londoner, die nicht nur für Immobilien eine Menge Geld brachten, sondern auch sonst viel Zeit hier verbringen und damit Geld ausgeben. So hat ein eigentlicher Mangel an Ressourcen die Cotswolds zu einem Stück beschaulicher und naturbelassener Gegend gemacht. Manchmal ist weniger mehr. |
Samstag, 9. Juni 2018: same procedure as every year
Endlich rutsche ich mal vom Ruhrgebiet bis nach Calais ohne Staus und größere Baustellen durch. Sogar so gut, dass ich weit vor der geplanten Zeit vor der Fähre stehe. Hat den Vorteil, dass ich auch ganz vorne in das dicke Schiff komme und im Restaurant an Board nur zwei Leute vor mir an der Essensausgabe stehen. So gibt es wieder mal Fish and Chips ohne Warten. Wie die Briten diese Portionen verdrücken, bleibt mir ein ständiges Rätsel. Als ich mit dem Essen fertig bin, steht vor dem Food Court eine Schlange von mindestens drei Kilometern. Glück gehabt. Es gibt ein Starbucks-Cafe, das Schiff ist eher wenig belegt, ich erwische einen Sitzplatz mit großem Fenster.
Die weitere Reise verläuft genau so unspektakulär. Etwas Stau auf der M25, mit der Abfahrt auf die M40 wird die Strecke frei. Wie geplant um 17:00 Uhr in Willersey, dazwischen eine Tour durch Orte, die noch wieder ganz anders aussehen als die, die ich bisher in England kenne. Nämlich so, wie in den Reiseführern zu dieser Gegend geschildert und abgebildet.
Am Abend noch eine kleine Runde durch Broadway, das nur wenige Kilometer von Willersey entfernt liegt. Ein schmuckes Dorf, sehr heimelig und sauber, bestimmt ein Dutzend Restaurants gehobenen Standards, ein mittlerer Supermarkt am Russell Square, mehrere Cafes und Bistros, sogar ein Herrenausstatter, Haushaltsladen, Strickwaren, Schmuck, alles zu bekommen, was man alltäglich braucht. Natürlich auch Kunsthandwerk, Spielzeug und sogar einen kleinen Laden mit Werkzeug und Farben. Ein wahrhaft putziger Ort. Das WLAN im B&B versteht sich erst gar nicht mit meinem Rechner, die Ursache ist schnell gefunden.
Wetter soll morgen ganz anständig werden. Denn man los.
Sonntag, 10. Juni 2018: Chipping Campden, Dover’s Hill
Eigentlich war für heute der Broadway Tower geplant, aber das Wetter hält sich schon wieder nicht an die Vorgaben durch die BBC.
Hochnebel, schlechte Sicht, da muss der Broadway Tower warten. Stattdessen die Tour #14 aus dem Pathfinder Guide. Gelegenheit, schon mal einen Blick in den kleinen Ort hier nebenan zu werfen. Der tatsächlich ausgesprochen sehenswert ist, was viertausend Japaner in der kleinen Hauptstraße zur Folge hat, die alle mit ihren Telefonen bei ihren Selfies ständig im Weg stehen. Ich mache mich an den Aufstieg zum Dover’s Hill. Hat nichts mit der Stadt in Kent zu tun, sondern mit einem Mann namens Robert Dover, der ab 1612 hier so etwas wie olympische Spiele veranstaltete. Nachdem das in Pöbeleien und Suff ausartete, wurde die Sache 1851 verboten. Findet nun seit 1953 wieder in kleinerem Rahmen statt, der Alkoholverbrauch hat ja seit den alten Zeiten abgenommen.
Der Aufstieg zum Dover’s Hill ist nicht sehr lang, aber schon steil. Oben angekommen ziehe ich den Pullover vom Morgen wieder aus, denn inzwischen hat sich der Nebel verzogen und die Sonne übernimmt die Regie. Dort oben steht ein Vermessungspunkt, ein Triangulation Pillar vom Ordnance Survey. Etwas weiter ist ein bekannter Aussichtspunkt, 20 Meter davor ein Parkplatz. Der Rest der Leute ist mit dem Auto hoch gefahren, bewundert nun die Aussicht ins Evesham Valley. Mein Weg führt auf der Rückseite wieder den Hügel herunter, über Felder und durch Wälder in einer großen Runde zurück nach Chipping Campden.
Da es passt, führt mich mein Weg in Chipping Campden in den Bantam Tea Room, wo es eine ausgezeichnete Backkartoffel mit Thunfisch und Majo gibt. Auch der Cappuccino lässt nichts zu wünschen übrig. Überhaupt sind gerade die klassischen britischen Speisen wie Jacket Potatoes, Sandwiches, Salate oder Fish and Chips inzwischen auf einem hohen Niveau angekommen. Der Salat heute hatte kein Dressing, sondern war mit einem Chutney aus Curry und Zwiebeln angemacht, was ausgesprochen ungewohnt, aber sehr lecker war.
Ich streife noch etwas durch den Ort, sehe mir die Läden an. Da der Tag noch lange nicht zu Ende ist, beschließe ich einen Abstecher nach Burford, durch das ich auf dem Hinweg gekommen war. Wie in Chipping Campden auch hier reichlich Betrieb auf Straßen und Bürgersteigen, alle Geschäfte haben geöffnet und reichlichb Restaurants und Cafes zu besuchen. Überhaupt ist es erstaunlich, dass sich so viele Angebote zum Essen und Trinken halten können. Mehrere Hotels, die auf ihren Speisekarten keine Preise angeben. Stattdessen kann man aus dem gesamten Angebot an Vorspeisen und weiteren Leckerlies sich für einen Festpreis etwas zusammen stellen. Zwei Personen 36 £, drei Personen 52 £. Auch keine schlechte Idee. Um es auch hier noch einmal zu betonen: In England gibt es schon lange kein gekochtes Heu mehr, das erst am Tisch gesalzen wird. Das Angebot ist ausgesprochen international, wobei Steaks und Rippchen immer noch am beliebtesten sind. Doch jedes Restaurant hat inzwischen einige vegetarische oder sogar vegane Angebote. Seit der BSE-Affäre hat die Zahl an Vegetariern deutlich zugenommen, auch und gerade in Großbritannien.
Zurück nach Broadway. Wo genau so Betrieb herrscht. Bei meinem ersten Besuch war mir nicht aufgefallen, dass es in den Seitenstraßen noch viel mehr Geschäfte gibt. Dazu solche Mini-Einkaufszentren mit einigen wenigen Geschäften, Bistros oder Cafes. Es ist schon etwas dran, dass die deutschen Ladenöffnungszeiten am Sonntag die Innenstädte veröden lassen. Hier war in allen drei Orten ein Riesenbetrieb. Was auch damit zu tun hat, dass zur Zeit so etwas wie ein Dorffest stattfindet, mit fliegenden Händlern und anderen Verkaufsständen.
So, BBC sagt für Morgen zwölf Sonnenstunden voraus. Mal sehen, ob das Wetter das weiß.
Lessons learned: They are kidding us!Auf eine Sache war ich ja doch gespannt: auf die Benzinpreise. Während bei uns in den letzten Monaten der Dieselpreis von ca. 1,10 € auf teilweise über 1,30 € gestiegen war, ist der Benzinpreis in Großbritannien … seit Jahren konstant. Noch immer kostet ein Liter Diesel so um die 1,35 £, Benzin um 1,31 £. Da tröstet es wenig, dass an einigen niederländischen Tankstellen für Diesel sogar 1,53 € aufgerufen werden. Der Tankwart, bei dem ich heute meine Spritvorräte auffüllte, führte das darauf zurück, dass Großbritannien immer noch Vorteile aus seinem Nordseeöl hat. Und deshalb weniger auf Öl außerhalb seines Landes angewiesen ist. Mag sein oder nicht, es riecht aber doch danach, dass die Mineralölkonzerne uns melken. |
Montag, 11. Juni 2018: Bibury, Arlington, Cirencester
Der Blick zum Himmel verheißt nichts Gutes. Er ist grau und stumpf. Egal, es geht raus. Dann eben wieder nicht Broadway Tower, sondern Landleben, da passt Tour #7 aus dem Pathfinder Guide perfekt. Kaum fahre ich ein Stück die Straße hoch Richtung Broadway, ist der Hochnebel weg und die Sonne scheint von einem klaren blauen Himmel. So kann es gehen.
Von Broadway bis zum angeblich schönsten Dorf Englands, mit der am meisten fotografierten Häuserzeile der Nation, ist es eine gute halbe Autostunde. Aber der Schock kommt schnell. Drei monstermäßige doppelstöckige Busse mit Gästen aus dem ach so fernen Osten sorgen für überfüllte Gassen, gefühlt tausend Asiaten mit ihren Selfie-Sticks, in Plastiklatschen und mit Plastiktüten lärmen herum, stehen mit ihren Smartphones vor den Häusern in bunten Häuflein herum, lamentieren und gestikulieren wild und verbreiten mittleres Chaos. Warum die Asiaten nie schauen, wo sie hinlaufen oder ob sie eventuell im Weg stehen, ist unfassbar. Es werden auch keine Häuser fotografiert, sondern nur Selfies geschossen. Fremdschämen hoch drei drängt sich auf. Ich haste schnell auf meine geplante Tour. Ein älterer Brite am Rande mit einer fetten Canon-Kamera amüsiert über das Handy-Geknipse, grinst mich an und wünscht mir eine schöne Wanderung. Also später zurück.
Die Tour #7 geht gut elf Kilometer, mit einer manchmal überraschenden Abwechselung zwischen Feldern und Wiesen, Wald und Flusstal, gelegentlich ein paar Häusern und eigentlich allem, was dieser Teil Englands zu bieten hat. In der Luft liegt ein Duft, der alle paar Meter wechselt. Mal nach Harz und Laub, dann wieder nach Blumen, Wildkräutern und blühenden Hecken. Dazu ist nur Vogelgezwitscher zu hören und das Summen und Brummen von Fliegetieren, Bienen und Libellen in Massen. Man wähnt sich oft im Bühnenbild des Auenlandes bei den Hobbits. Solche Eindrücke hatte ich bisher nur im Lake District. Das satte Grün, die uralten Wälder und riesige Felder mit Wildkräutern. Nur der letzte Abschnitt am River Coln entlang könnte etwas einförmig sein, wären da nicht die gar nicht scheuen Schafherden und neugierigen Rinder.
Die Tour endet an der alten Mühle, auch so ein Ort, an dem Träume vom Leben einer anderen Art hängen bleiben können. Zurück in Bibury haben sich die meisten Asiaten wieder abgeseilt und es ist ruhig. Endlich kann man sich das Dörfchen in Ruhe ansehen, es gibt noch einen Cappuccino und einen Brownie in einem Cafe auf der Rack Isle, wo früher die Ständer mit Wolle zum Trocknen standen. Eine Forellenfarm bietet gleich neben dem Cafe geräuchten Fisch aus dem River Coln an, aber der hält sich wohl nicht bis zuhause. Es ist früher Nachmittag, da ist noch etwas Zeit. Nächster größerer Ort ist Cirencester, also einen Abstecher noch. Sind von Bibury nur sieben Meilen.
Cirencester ist ein Oberzentrum und Einkaufsstadt in der Gegend. Nicht wirklich hässlich, aber eben nichts Besonderes. Alle Geschäfte, die man so in einer größeren Stadt erwartet, endlich kann ich in der NatWest meine verfallenen alten Pfund-Münzen umtauschen, kaufen könnte ich in den Haushaltswarenläden schon genug. Zum Beispiel die Schürze mit der Aufschrift „may the fork be with you“. Nix, ich habe schon genug Kram. Um den Wackel-Grommit und den Wackel-Wallace schaffe ich den Bogen nicht, die müssen mit. Beeinduckt hat mich die Statue Hound & Hare auf dem Marktplatz, der Hase hat nämlich eine menschliche Figur, der Hund ist Hund. Eher zufällig entdecke ich hinter der Kirche den großen Park, der wirklich wunderschön angelegt ist. Es gibt große Wiesen und auch Terrassen mit Bänken und Tischen. So etwas fehlt vielen Städten bei uns. Cirencester ist keine schlechte Stadt, nicht ungepflegt oder laut. Eher Provinzstadt. Dabei 27 °C und die Sonne brennt. Kann so bleiben. Im Tesco Extra an der Peripherie bekomme ich wenigstens schon mal allen Tee und den halben Vorrat an Marmelade. Crystal Orange gab es nicht, aber ich will ja nach nach Worchester, da gibt es einen Waitrose, der ist in Marmeladen besser sortiert als Tesco. Apropos Tesco: Diesel 1,29 £. Leider ist der Tank noch fast voll.
Die Strecke von Cirencester nach Stow zurück ist etwas für Achterbahnfans. Es geht den Berg mit 16% steil und im typischen britischen Affenzahn runter, dann sackt das Auto auf fünf Metern kurz durch, danach folgt die steile Auffahrt auf den nächsten Hügel. Danach wieder von vorn. Und das bestimmt 20 Minuten lang. Letzter Abstecher nach Broadway in den Warner’s Budgens, ich möchte heute Abend etwas anderes als Toast. Von den Chutneys dort gehen bestimmt noch einige Gläser mit zurück. Schöner Tag, tolles Wetter, viel gesehen. Schon die erste Begrüßungs-Mail aus Wales ist da, mit Hinweisen, wo die Navis scheitern. Aber das tun sie auch in den Cotswolds. Wie ich jetzt weiß.
Ein warmes Wort zu Navies
Schon meine Gastgeber in Wales warnten mich davor, mich auf mein Navi zu verlassen, heißt hier einfach GPS. Außer für die Ballungszentren sind in Großbritannien zwar fast alle Straßen in den Geodaten, aber nicht ihre Ausbaustufe. Das hat zur Folge, dass das Navi einen kackfrech auf einen Wirtschaftsweg schickt, wenn daneben eine breite Hauptstraße ihre Sache noch besser machen würde. Hat es diesen Weg mangels anderer Daten eben als kürzer berechnet. Mir heute so auf dem Weg nach Bibury passiert. Da hätte ich mir doch gewünscht, ich hätte statt des Golfs einen Landrover gekauft. Als ich dann auf eigene Faust von Cirencester zurück manövrierte, fuhr ich nur gut ausgebaute Hauptstraßen. Also doch mal vorher auf der Karte nachsehen, wie man so in etwa fahren sollte. Das Navigationshilfsgerät verortet das Stadtzentrum sogar gerne auf einen seltsamen Punkt in einem Wald.
Andererseits wieder verwunderlich ist, dass mein deutsches Navi die Namen englischer Straßen und Orte richtig ausspricht. Was mir nicht immer gelingt. Cirencester als „Seirensester“, Evesham als „Eve-Sham“, Worchester als „Woster“. Woher Doris das nur weiß? Sie kommt doch aus Wolfsburg.
Lessons learned: Birds and beesWährend es bei uns deutliche Anzeichen für einen Schwund bei Insekten und Vögeln gibt, ist das hier kein Thema. Was heute auf der Tour deutlich zu sehen und zu hören war, es brummt und summt und zwitschert nur so vor sich hin. An den Futterstationen hier auf der Farm tummeln sich Mengen an Spatzen und Meisen. Es gibt da aber auch einen krassen Unterschied zwischen Cotswolds und Niedersachsen: hier ist keine Hochleistungs-Landwirtschaft. Mal hier oder da ein Weizenfeld, gelegentlich Roggen, kein Mais und kein Raps. Ich schätze, dass drei Viertel der genutzten Flächen Weideland sind, überwiegend Schafe, einige Rinder. Selbst an den Weizenfeldern stehen breite Ränder mit Wildkräutern, das stört hier niemanden. Genauso große Flächen finden sich, die gar nicht bewirtschaftet werden, ein Paradies für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Fliegen. Damit auch für Vögel. Man sollte unsere Großkopferten, die noch aus dem letzten Quadratzentimeter Ertrag schöpfen müssen, indem Hektartonnen von Gift ausgebracht werden, mit den Landwirten hier an einen Tisch setzen. Es sieht hier nach einem anderen Verständnis von Natur aus. Nicht umsonst habe ich allein heute drei Bio-Farmen gesehen, die ihre Produkte auch für Kunden direkt ab Hof anbieten. Könnte sein, dass die britischen Bauern Bio erst lange nicht begriffen haben. Aber nun holen sie auf. |
Dienstag, 12. Juni 2018: Woodstock, Blenheim Park, Evesham
Grauer Himmel, 15 °C. Nicht gerade Wanderwetter. Jedenfalls nicht für große Ausblicke ins Land. Da war noch Tour #8 Pathfinder Guide, 11 Kilometer durch den Blenheim Park in Woodstock, einige Meilen nördlich von Oxford. Eine gute halbe Stunde südlich von Broadway. Vielleicht noch mit einem Blick auf Blenheim Palace, der Namensgeber meines Zimmers im Churchill Guest House in Dover (hier die umfassende englische Beschreibung).
Der empfohlene Parkplatz in Woodstock ist proppevoll. Nach einigem Kreisen gelange ich in die High Street, wo die meisten Geschäfte liegen, und erwische tatsächlich einen Parkplatz am Straßenrand. Erst beim Zurückkommen sehe ich, dass man nur eine Stunde dort stehen darf. Das gibt wohl wieder einen Dankesbrief aus England, es wird streng kontrolliert. Zuerst muss ich an der Hauptstraße entlang, der A44. Nicht gerade eine echte Freude. Nach dem Abbiegen in die Felder bleibt es langweilig, vier große Felder wollen durchquert werden. Dann noch wieder über die A44 und man steht vor der Mauer, die den gesamten Blenheim Park umgibt. Tatsächlich ist da eine Tür, die man erst sieht, wenn man davor steht. Ja, der komplette Blenheim Park, ein riesiges Gebiet, ist komplett eingemauert.
Jetzt wird der Marsch etwas interessanter. Der unscheinbare Feldweg, auf dem ich entlang gehe, war ein Teil des römischen Verbindungsweges von St Albans nach Cirencester aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Ansonsten ist der Park tutti completti künstlich angelegt, nämlich vom damals größten englischen Gartenarchitekt Capability Brown. Wenn man genauer hin sieht, können die Bauminseln aus nur einer Baumsorte wie Rotbuchen nicht natürlich entstanden sein. Die Baumallee, die sich quer durch den Park zieht, wie mit dem Lineal gezogen bis zur Victory Column, ist künstlich. Dazu liegen im Park mehrere Farmen, die früher den Palast versorgten. Heute kommt alles von Tesco. Riesige Schafherden grasen auf Weiden ungeheuren Ausmaßes. Das ist alles zusammen schon ziemlich beeindruckend.
Nähert man sich am Ende der Runde Blenheim Palace, wird aus dem Park ein richtiger. Ein großer See liegt hinter dem Palast, der diese Bezeichnung verdient hat. Die große Kunst in der englischen Gartenarchitektur ist die, einen Park künstlich anzulegen, aber ihn möglichst natürlich aussehen zu lassen. Das ist hier genial gelungen. Leider sieht der Palast im Moment etwas verschandelt aus. Die Vorbereitungen für ein großes Event sind am Werk, riesige Zelte aufgebaut, LKWs bringen Absperrungen und Material. Da es für einen wirklichen Besuch von Blenheim Palace zu spät ist, kaufe ich auch kein Ticket mehr und trete den Rückweg an.
Einen Abstecher zur Siegessäule mache ich noch, die auf einem Hügel liegt. Das sind noch mal zwei Kilometer zusätzlich. Die englische Website des Blenheim Palace zeigt, was für ein Geschoss von Anlage Gebäude und Parkanlagen sind. Meine Schienbeine fühlen sich nun etwas angestrengt an, ich mache mich zurück auf den Weg nach Woodstock hinein. Kaffee und Kuchen fehlen noch, direkt vor meinem Auto liegt die Blenheim Buttery. Leckerer Kuchen, auch Mittagessen wäre hier nicht fehl am Platze. Inzwischen lässt sich immer häufiger die Sonne sehen, der Pullover kann zurück in den Rucksack. Es fehlt noch die nachmittägliche Erkundung der Umgebung. Kurz hinter Broadway ist Evesham. Mal schauen.
Evesham preist sich zwar als historische Stadt, das liegt jedoch nur an den wenigen alten Tudor Houses. Ebenso bekannt ist Evesham, weil der Avon hindurch fließt. Ansonsten ist Evesham nicht gerade ein Paradebeispiel für die Cotswolds. An einigen Ecken erschreckend verlottert, viele 1 £-Läden und Handy-Shops, das Publikum offensichtlich nicht gerade der Mittelstand der Gegend. Auffällig, dass es einen Obst- und Gemüseladen mit polnischem Namen gibt, etwas weiter ein Geschäft für „osteuropäische Spezialitäten“. Man hört viele Sprachen in den Straßen. Nicht nur europäische, sondern auch arabische und unidentifizierbare. Ok, Evesham kann man sich getrost schenken. Die Beine schmerzen, die Füße auch. Da rettet jetzt der Sonnenschein och nix mehr. Zurück zur Lowerfield Farm und lieber noch etwas im Garten sitzen.
Lessons learned: Brexit? What for?Natürlich kam mir unterwegs immer wieder der Brexit in den Sinn. Wie es wohl in ein paar Jahren sein wird, wenn ich auf die Insel komme. Wieder Zoll- und Passkontrollen? Ist ja heute fast so, und das schon lange. Mir stellte sich aber oft die Frage, wie „europäisch“ die Briten denn bisher waren. Sie sind die einzigen Europäer, die Entfernungen immer noch in Meilen angeben. Verkehrsschilder, gerade für Tempolimits, haben die Ausmaße von Bierdeckeln. Jeder andere Teetrinker reißt spätestens nach fünf Minuten die Teeblätter aus der Kanne, nur die angeblichen Teetrinker Europas #1 lassen den Beutel bis zum Schluss drin. Waren die Briten überhaupt jemals Willens, sich auf europäische Standards einzulassen? Nein. Sie haben immer ihr eigenes Süppchen gekocht und wollten nie anders sein, als sie eben sind. Ich denke, der Brexit ist das Gegenstück zur AfD in Deutschland. Und deshalb weder logisch, wirtschaftlich oder sonst wie nachzuvollziehen oder zu erklären. Diffuse Ängste und Befürchtungen. Es kann doch nicht sein, dass eine Nation mit Millionen mehr oder weniger gut integrierten Zuwanderern den Schwanz vor 3.000 Flüchtlingen in Calais einkneift und in Schockstarre verfällt. Wem sollte es je gelingen, diesem Volk von Starrköpfen und Sonderlingen, die sie sind, und wofür ich sie mag, eine angebliche fremde Kultur aufzudrücken? Die britische und die deutsche Kultur bleiben, was sie sind. Da sind eine Menge Flüchtlinge vielleicht mal Sand im Getriebe. Aber Fish & Chips, Tee und penible Warteschlangen an der Bushaltestelle sind so unzerstörbar wie Filterkaffee, Flurwoche und Linsensuppe. Die die Türken und Araber eh leckerer können. |
Mittwoch, 12. Juni 2018: Broadway Tower, Hidcote
Das Wetter hält sich. Besser als erwartet. Zeit für den Gang zum Broadway Tower, den ich schon mehrfach geschoben habe. Zwar zwickt mein linkes Schienbein noch ein bisschen, aber das wird schon. Was von selbst gekommen ist, geht auch von selbst wieder weg.
Natürlich findet sich dazu eine Tour im Pathfinder, es ist die #10. Sie führt ein Stück um den Hügel herum, danach an einer alten Kirche vorbei bis zum Broadway Tower Park hinauf. Inzwischen habe ich auch einen Parkplatz gefunden, der mitten im Ort liegt und wo man bis zu vier Stunden stehen darf. Für drei Pfund. Die Tour lohnt sich in dieser Form schon, man kommt am Broadway Court vorbei, einem großen Gut, eben an der Kirche und steigt dann über vier Kilometer teils recht steil den Berg hoch. Man sieht wunderschöne Häuser, Schafe mit schwarzen Köpfen und dicken Beinen, überhaupt ein kurzweiliger Weg. Oben am Broadway Tower gibt es ein Cafe, natürlich steht der Turm nicht einfach so herum, er ist eine der Attraktionen hier in der Gegend. Und dann, nach etwa einer Stunde Aufstieg, ist es soweit. Das Bild habe ich seit Jahren vor Augen, nun stehe ich selbst vor diesem merkwürdigen Gebäude.
Der Zutritt zum Gelände und zum Tower kostet fünf Pfund, aber ich hätte in diesem Moment gerne das Mehrfache gegeben. Den Turm selbst kann man innen ausgiebig besichtigen und wer mag, darf auch vom Dach aus den Ausblick bewundern. Und der ist in der Tat begeisternd. Bei klarem Wetter, also heute gerade zu erkennen, sieht man in der Ferne schon die Black Mountains, die zum Teil zum Brecon Beacons National Park gehören. Wo ich am Samstag landen werde. Der Broadway Tower ist ein „Folly“, er hat keinen wirklichen Zweck, er ist einfach nur als Gag gebaut worden, um zu überprüfen, ob man von hier oben die Lichter in einem weit entfernten Herrenhaus sehen kann. Aber er ist wirklich beeindruckend und sehenswert. Wie eine zu groß gewordene Sandburg. So ungewöhnlich seine Form ist, so harmonisch wirkt das Gebäude.
Das Einzige, was etwas stört, ist mein linkes Bein, das nun deutlich schmerzt, vom Knie das ganze Schienbein herunter. Der Abstieg zurück nach Broadway ist ein Herabhumpeln. Zum Glück deutlich kürzer als der Aufstieg. In Broadway gibt es dann in einem feinen kleinen Cafe nicht nur eine Jacket Potatoe mit viel Baked Beans, sondern dazu einen Besuch der Lloyd’s Pharmacy. Voltarol heißt das Zeugs hier statt Voltaren, hilft aber hoffentlich genau so. Normales Gehen geht noch so halbwegs. Deshalb sollte dem Besuch in einem der schönsten Gärten Englands nichts im Wege stehen. Autofahren geht problemlos. Dass dieser Garten nur wenige Meilen entfernt von Willersey liegt, hat mir Sue heute Morgen verraten. Wozu bin ich denn schließlich seit 2004 Mitglied im National Trust?
Was kann man über Hidcote Garden erzählen? Gar nichts. Man kann ihn nicht fotografieren und nicht beschreiben, man kann ihn nur selbst sehen und erleben. Der Amerikaner Major Lawrence Johnston bekam das Haus von seiner Mutter geschenkt, damit er seiner Liebe zu Gärten fröhnen konnte. Ach ja, die Mutter hatte einiges Vermögen, Johnston auch. Er legte nicht nur einen unglaublichen Garten an, sondern er reiste auch um die halbe Welt, um Pflanzen zu bestimmen und nach England zurück zu bringen. Seit 1948 gehört die Anlage dem National Trust. Das Wesentliche an Hidcote Garden ist der Garten, besser die Gärten, nicht das Haus. Johnston pflanzte nicht einfach aus, er sortierte die Pflanzen und Blumen nach Kriterien, deshalb haben die einzelnen Bereiche bestimmte Namen wie The Wilderness oder The Poppy Garden.
Ich habe schon eine Menge Gärten in England und anderswo gesehen, aber Hidcote übertrifft alles bisher Gesehene. Nicht nur die erschlagende Vielfalt an Bäumen, Pflanzen und Blumen, sondern die Art, wie sie zusammen stehen. Diese verschiedenen Abschnitte sind jeweils durch Hecken oder Mauern getrennt, jede Ecke hat ihren ganz eigenen Reiz, von der Wildwiese über Blumenmeere bis zum Kräutergarten. Mir fiel manchmal einfach die Kinnlade runter. Wer in der Gegend ist, sollte dieses Erlebnis nicht verpassen. Es gibt auch ein schönes Cafe und Restaurant dort, das für seine gute Küche bekannt ist. Dazu den üblichen National Trust-Shop, den ich besser umgehen sollte. In der Bildergalerie finden sich ein paar Beispiele, wie gesagt, man kann es nicht beschreiben. Man muss es sehen.
Es war ein ereignisreicher Tag. Nicht nur habe ich endlich mit eigenen Augen den Broadway Tower gesehen habe, sondern auch einen der schönsten Gärten Englands. Das zerlegte Knie darf sich morgen etwas erholen, nicht dass ich noch meine deutlich schwierigeren Touren in den Brecon Beacons abblasen muss. Also morgen kleines Programm. Ideen habe ich schon. Wetter abwarten.
Donnerstag, 14. Juni 2018: Worchester, Stratford upon Avon
Schön mit ordentlich Volterol einpinseln, geht auch schon besser heute Morgen. Schonprogramm heute, damit der Flunken wieder in Form kommt. Normales Gehen ist in Ordnung. Stadtbesichtigungen.
Auf in die Mittelstadt Worchester, ungefähr eine halbe Stunde von Broadway entfernt. Ich gestehe, noch nicht einmal etwas über diese Stadt gelesen zu haben, weiß nur, dass sie auf eine römische Anlage zurück geht. Als die Römer sich im 5. Jahrhundert verzogen, verfiel der Ort zuerst. Um sich dann einige Jahrhunderte später zu einem wichtigen Handels- und Verwaltungspunkt aufzuschwingen. Wichtigster touristischer Ort: die Kathedrale. Ein mächtiger Bau, dessen Grundmauern bis in das 11. Jahrhundert zurück gehen. In der Größe etwa mit St David’s in Wales oder Winchester Cathedral zu vergleichen, also ziemlich mächtig. Wie in anderen Kathedralen gibt es unendlich viele Details und Kleinigkeiten zu sehen, kein Wunder mit der langen Geschichte. Auch der Bruder von Heinrich VIII. liegt hier begraben, ebenso Unmengen an Bischöfen, Generälen und Heiligen. Allein drei Orgeln habe ich gefunden, nur einen Eindruck mitzunehmen dauert schon mindestens eine Stunde.
Die Stadt Worchester selbst hat wenig Außergewöhnliches zu bieten. Eine typische englische Stadt mit ausreichend Einwohnern für eine größere Innenstadt, inklusive der üblichen Anbieter wie Starbucks, Booth’s, McDonald, M&S etc. Ich mache nur eine kleine Runde durch die Fußgängerzone und nehme noch Tomate und Mozzarella-Brötchen im Starbucks mit. Ganz nett ist die Promenade am River Severn, aber das war es auch schon. Kein Ort, an dem es eben außer dem Gotteshaus viel zu sehen gibt. Höchstens noch den großen Waitrose-Supermarkt am Ortseingang, der auch nicht die gesuchten Marmeladen von Tiptree hat. Dafür eine Tankstelle mit 1,31 £ für den Liter Diesel. Tank voll bis zum Stehkragen. Geht es in Dover eben noch zu Morrison. Dann mal weiter.
Zwanzig Minuten weiter nach Osten der nächste Ort. Den im Gegensatz zu Worchester viele Leute kennen: Stratford upon Avon, die Shakespear-Stadt. Abgesehen davon, dass sich in diesem Städtchen alles nur um ein Thema dreht, mit Shakespear Hotel, Shakespear Shopping Center, Shakespear Inn, ist es ein auffallend sauberes und gepflegtes Städtchen. Mit vielen alten Tudor Houses, vielen Museen, Ausstellungen und natürlich Buchläden und Theatern. Stratford ist nett und gemütlich, mit vielen schönen Cafes und kleinen Läden. Am Ortseingang ein großer Park am Fluss, wo ziemlich viel Betrieb ist. Der River Avon ist auch hier ziemlich breit und lädt zu Ausflugsfahrten auf den Böötchen ein. Na ja gut, kann man auch Schiffe nennen. Tatsächlich laufe ich hier eine Stunde herum, hätte ich mehr Kleingeld für den Parkplatz gehabt, wäre ich glatt länger geblieben. Stratfort upon Avon geht als sehenswert durch, ein angenehmer Platz. Trotz der wieder überbordenden Menge an asiatischen Touristen. Warum gibt man eigentlich eine Unmenge Knete aus, um nach Europa zu reisen, und knippst dann mit der öhseligen Handykamera mit 3 mm-Objektiv? War mehr eine rhetorische Frage.
Bein hat gehalten, morgen noch eine kleine Tour am Morgen, später letzte Einkäufe im Warner’s Budgens für die nächsten Tage. Wer weiß, wo ich da in Wales lande. Auf jeden Fall gibt es in Brecon einen Aldi. Dann kann ja nicht viel schief gehen.
Freitag, 15. Juni 2018: Northleach, Hampnett, Stow-on-the-Wold
Letzter Tag in den Cotswolds, Belastungstest des linken Beines. Keine große Tour, falls es doch nicht so klappt. Tour #4 aus dem Pathfinder Guide rund um Northleach und Hampnett. Spoileralarm: alles paletti. Dank Volterol.
Der Marktflecken Northleach war einer der reichsten Orte in früheren Zeiten, wegen der Wolle. Deshalb hat der Ort auch eine der größten Wollkirchen in der Gegend. Am Markt kann man kostenlos parken, danach geht es nach Norden durch Felder und Wiesen bergauf und bergab. Da es seit meiner Ankunft hier nicht mehr geregnet hat, mit sauberen Schuhen. Erster Fixpunkt ist Hampnett, der Ort besteht aus gerade mal vier Farmen, hat trotzdem eine eigene Kirche, die im normannischen Stil gebaut ist. Das Besondere an ihr ist, dass jemand im 19. Jahrhundert die Sakristei bemalt hat, und wie ich sagen würde, nicht mal schlecht. Eine wirklich schöne kleine Kirche mit einer tollen Atmosphäre. Obwohl der weitere Weg keine wirklichen Höhepunkte hat, ist er alles andere als langweilig. Mal geht man durch Baumtunnel, dann wieder auf weiten Weiden entlang, auf denen man beim Schafezählen scheitern würde. So viele Schafe. In einem weiten Bogen geht der Weg zurück nach Northleach. Passend für meine eingefahrenen Gewohnheiten bin ich um 12:30 wieder am Marktplatz. Meine Mittagsempfehlung für Northleach: The Black Cat Cafe. Toasties mit Mozzarella und Tomate kannte ich schon, mit Cheddar wird das noch eine ganz andere Klasse. Mal versuchen, viel deftiger und herzhafter.
Da ich irgendwie in meiner Kindheit durch Besichtigungen von Kirchen mit meinen Altvorderen traumatisiert worden sein muss, zieht es mich in St Peter and Paul. Diese ist sehr groß ausgefallen, in der Kirche steht ein Erklärer, der mir nicht nur viel über die Unterschiede zwischen normannischen und angelsächsischen Kirchen erklärt, sondern über die gesamte Entwicklung in der Gegend. Nun weiß ich, dass die meisten Orte in den Cotswolds einen dreieckigen Marktplatz haben, was mit dem Verkauf von Schafen zu tun hat. Dass die Straßen keineswegs zufällig Reihe für Reihe an der Hauptstraße stehen, dass noch heute der Kalkstein für neue Häuser unterirdisch abgebaut wird, dass die Märkte in den Orten ein bestimmtes Netzwerk abgaben. Networking war schon im Mittelalter wichtig, um Wege zu optimieren und Markte gegeneinander abzuschotten. Die vielen Schafe auf den Weiden liefern heute kaum noch Wolle, sondern die Cotswolds züchten und verkaufen Schafe. Um das mit den Märkten zu überprüfen, lege ich noch einen Stop in Stow-on-the-Wold ein, das an meinem Rückweg nach Broadway liegt.
In der Tat ein schönes Örtchen, mit den typischen Merkmalen der Cotswold-Orte. Nur leider völlig durch Autos zugeparkt und ein ständiger Strom an LKWs zieht durch den Ort. Ohne die vielen fahrenden und parkenden Autos wäre es sehr nett hier. So eher nervig und man kommt kaum mal über eine der schmalen Straßen. Viele kleine Geschäfte, viele Restaurants und Cafes. Wären da eben nicht diese Unmengen an Autos im Ort. Unglücklicherweise wird gerade auf dem Marktplatz eine Kirmes für das nächste Wochenende aufgebaut, die dem Ort mit dem bunten Müll den optischen Todesstoß versetzt. Manchmal sind mir die Briten ein Rätsel, dass sie für solchen Tand wie billige Kirmesveranstaltungen, Streichelzoos und Vergnügungsparks ein Faible haben. Zurück nach Broadway, ich wollte noch in den Warner’s Budgens, im Mini-Baumarkt auf dem Weg nach Willersey bekomme ich einen Karton, um alles zu verstauen. Faltkisten haben sie sonst, sind aber ausverkauft. Tatsächlich kann man in dem Laden auch Kupferrohre, Zement und Regenrinnen kaufen. Ein echter kleiner Baumarkt, nur eben wenige Quadratmeter groß mit Regalen bis unter die hohe Decke.
Morgen steht der Wechsel in die walisische Bergwelt an. Solche Aktionen bereiten mir immer eine gewisse Unruhe, sei es die Rückfahrt nach Deutschland oder eben ein Wechsel von Ort und Unterkunft. Wie wird es an dem neuen Ort sein? Darf ich da auch im Garten qualmen? Macht das Auto Zicken? Inzwischen kenne ich mich in der Gegend rund um Broadway ganz gut aus, brauche kein Navi mehr und weiß, wo ich was bekomme. Wo man am besten parken kann. In welchem Regal im Supermarkt die Brötchen stehen und der Cyder. Aber nur der Wandel ist beständig. Dann morgen noch ein ausgiebiges Frühstück und auf die Bahn. Na ja, sind eh nur 150 Kilometer, könnte aber mit der Fahrt durch die Black Mountains eine interessante Tour werden. Als erste Aktion fahre ich in Brecon zum ALDI. 😛
Lessons learned: interim conclusionWas ist denn nun dran an dem Titel Heart of England? Sagen wir mal, es ist nicht falsch. Aber ich würde es auch in Relation setzen, was nicht anders geht, wenn man schon einige Ecken hier gesehen hat. Was die Landschaft angeht, können die South Downs oder Cornwall locker mithalten. Südwales mit seinen Stränden und Sussex mit den Küstenabschnitten sind für mich aber ein Stück voraus. Die Latte, die der Lake District und Snowdonia legen, können sie alle nicht reißen. Es ist unbestritten eine wunderschöne Landschaft mit seinen Hügeln und Tälern, sie ist sowohl erholsam gleichförmig wie definitiv nicht langweilig. Ideales Wandergebiet, eine touristisch angenehm ausgewogene Infrastruktur mit vielen Cafes, Tea Rooms, Pubs und Restaurants, aber ohne Halligalli oder touristischen Schwachsinn wie in Land’s End und an der Ostküste. Bodenständig trifft es ganz gut, touristisch, aber nicht störend. Kommen wir zum anderen Aspekt: den Orten. Sollte ich mal meine Bestenliste anlegen, wären das: Bibury, Broadway, Chipping Campden, Northleach. Für Stow-on-the-Wold hat es der Verkehr versaut. Bibury ist ein Einzelstück, Broadway ist der alltagstauglichste Ort. Und es sind die Orte, die diese Gegend ausmachen. Das ist noch ein wenig englischer als Surrey oder Kent. Wobei es eine große Rolle spielt, wie harmonisch und mit durchgehender Identität Baustile und Optik gepflegt werden. Bei allen Orten lohnt es sich gerade, die versteckten Ecken zu suchen, die schmalen Gassen, die vom Nichts ins Irgendwo führen. Eine genauere Studie der geschichtlichen Entwicklung wäre noch interessant, der Herr in der Kirche in Northleach hat das angerissen, aber gerade an der historischen Seite ist viel zu entdecken. Hier in der Gegend liegen viele Fundamente der englischen Kultur und wirtschaftlichen Entwicklung. Man versteht mehr an der englischen Geschichte, wenn man sich mit der sozialen Vergangenheit beschäftigen würde, auch mit den Linien der englischen Monarchie, dem Adel und den gesellschaftlichen Strukturen. Gesamtnote: Zwei-Plus, da muss ich noch etwas sacken lassen. Ich würde gerne noch einmal hierher kommen, definitiv, schon wegen der tollen Wandermöglichkeiten, der guten Infrastruktur und der erholsamen Natur. Auch wegen der freundlichen Menschen, und der guten Erreichbarkeit vom Kontinent aus. Wetter über die Woche gut bis sehr gut, ich habe nicht einen Regentropfen abbekommen, einmal hat es nachts etwas geregnet. Auch heute wieder Sonne satt mit wenigen Wattewölkchen dazwischen, gelegentlich etwas bedeckt. Unterkunft war die Lowerfield Farm, ein B&B etwa drei Meilen von Broadway entfernt. Urteil hier: selten so gut gewohnt. Sehr saubere Zimmer, gemütlich eingerichtet. Auf dem Flur ein großer Kühlschrank für die Gäste, eine Kiste mit dem eventuell Vergessenen, Schnürsenkel, Nähzeug oder Zahnbürsten. Englisches Frühstück nach Karte, jedoch auch für Vegetarier geeignet. Jeden Morgen gab es einen großen Teller mit frischen Obst, Ananas, Kiwi, Erdbeeren, Rhabarber, Orangen, Weintrauben etc. Die Betreiber Sue und Garath sehr fröhlich und zuvorkommend. Eier, Brot und Marmelade aus eigener Produktion. Wer möchte, kann sogar Enteneier bekommen. Eine glatte Eins für die Lowerfield Farm. |
Goodbye England, croeso y Cymru
Samstag, 16. Juni 2018: Aus den Midlands nach South Wales
Ich komme nach einem ausgiebigen Frühstück pünktlich um halb zehn auf die Bahn. Nur 150 Kilometer liegen vor mir, den größten Teil davon über die vierspurige M50 hinter Worchester bis kurz vor Abergavenny. Also stehe ich schon um gerade mal halb zwölf In Abergavenny, schaue mir den Ort an, um einige Zeit zu vertreiben. Abergavenny ist ein übliches britisches Städtchen, nur dass hier überall Drachen herumhängen oder herumstehen. Nun ist wieder alles zweisprachig ausgeschildert und beschriftet. Wie viele walisische Städte hat Abergavenny eine Market Hall, in der von Lebensmitteln über Gebrauchsartikel bis zu Tand und Plunder alles angeboten wird. Was mich geradezu begeistert ist ein Stand, der auch alle möglichen Blättchen und Zigarettenfilter anbietet. Da meine Filter unbekannt verschwunden sind und ich das erst gestern bemerkt habe, bin ich dem Händler unendlich dankbar. 3 x 100 Filter für zwei Pfund sind dazu ein echtes Angebot.
Abergavenny ist ein lebhaftes, quirliges und sauberes Städtchen mit einer großen Auswahl an Geschäften und Restaurants. Eins davon, eher einfach und volkstümlich gehalten, hat auf der Speisekarte Pasta, Salate und verschiedene Lasagne-Variationen. Zusätzlich das übliche britische Angebot an Sandwiches, Jacket Potatoes und Verwandte. Scheint ein italienischer Betreiber zu sein. Nicht ohne Bedenken bestelle ich die vegetarische Lasagne, die sich dann als ausgezeichnet erweist, mit reichlich Gemüse, Tomaten, Bechamelsauce und viel Käse drüber. Dazu weckt der Cappuccino Tote auf. Richtig gut gespeist, der Abstecher hat sich gelohnt. Dafür hat der brandneue Morrisons auch keine Crystal Orange. Dafür genug Cadbury-Schokolade.
Da ich immer noch viel zu früh dran bin, geht es erst mal nach Brecon. Der Ort ist viel größer als ich mir vorgestellt habe. Ein weitläufiges Geschäftsviertel mit allen notwendigen und weniger nötigen Geschäften, ein ALDI am Ortseingang, ein großer Morrisons und ein CooP. Das Angebot bei ALDI muss ich mir natürlich ansehen, es hat mit dem Sortiment unserer Filialen nun gar nichts gemeinsam. Das Angebot ist deutlich umfangreicher, die Eigenmarken sind natürlich andere, aber Gemüse und Obst sind ausufernd im Angebot. Dazu Markentoast, sogar Nutella, Scottish Pancakes, Welsh Scones, viele Süßigkeiten. Wein liegt deutlich über unserem Level, der Chardonnay beginn bei ca. fünf Pfund. Sprittie zu sein muss man sich in Großbritannien leisten können. Einkaufen ist gesichert, zum ALDI brauchst man nicht einmal in den Ort.
Endlich ist es drei, ich fahre zu meiner neuen Unterkunft. The Lodge in Llanfrynach. Besteht aus einigen weniges Straßen, plus Kirche plus Pub. Der Taff Trail geht direkt durch den Ort, die Aussicht auf die Berge direkt vom Haus aus ist beeindruckend. Das Haus selbst gerade erst renoviert, vier Zimmer, etwas größer als in Willersey, der Schreibtisch aber kleiner. Brandneues Badezimmer, meinen ganzen Einkaufskram durfte ich in einem Lagerraum abstellen, so muss ich ihn nicht im Zimmer unterbringen. Die WLAN-Router der British Telecom haben alle einen Schuss, es dauert eine Weile, bis der Rechner die seltsame Konfiguration akzeptiert. Angekommen, eingerichtet, morgen geht es weiter. Heute hat es gelegentlich etwas getröpfelt, kann morgen anders aussehen. Oder nicht.
Beinahe hätte ich das jetzt vergessen: große technologische Fortschritte in Großbritannien!
Lessons learned: Mountains so highDie Brecon Beacons, walisisch Bannau Brycheiniog, sind eine Bergregion im Südosten von Wales. Der Name entstammt der mittelalterlichen Tradition der Leuchtfeuer, der Beacons, auf den Bergspitzen als Warnung vor Angriffen der Engländer. Die eigentlichen Brecon Beacons sind das Gebirge im Süden des Ortes Brecon. Die Gipfel der drei höchsten Erhebungen Pen y Fan, Corn Du und Cribyn bilden einen hufeisenförmigen Gebirgszug um das Delta des Flusses Taf Fechan im Südosten sowie langgezogene parallel verlaufende Ketten Richtung Nordosten. Das Taf-Fechan-Panorama wird auch das Beacons-Hufeisen genannt. Vergleichbar dem Snowdon-Hufeisen im Norden von Wales. Wie Snowdonia und South Downs sind die Brecon Beacons ein beliebtes Wandergebiet und dementsprechend sind Unterkünfte gut gebucht. Und wie in Snowdonia gibt es auch hier anspruchsvolle Touren, die leicht unterschätzt werden. 1957 wurde der Nationalpark als letzter der drei walisischen Parks gegründet. Mit seinen fast 1.500 Quadratkilometern umfasst er bedeutend mehr Gebiet ab als nur die Brecon Beacons selbst. Er reicht von Llandeilo im Westen bis nach Hay-on-Wye im Osten. Zudem gehören zu ihm die Black Mountains im Osten des Parks an der Grenze zu England. Das Gebiet westlich der Brecon Beacons wird auch Fforest Fawr oder Großer Wald genannt und wurde 2005 von der UNESCO als Geopark ausgezeichnet. Das wird sicher eine eigene Tour. Der Park ist außerdem bekannt für seine Wasserfälle wie den 27 Meter hohen Henrhyd oder die Ystradfellte-Fälle und ihre Höhlensysteme wie Ogof Ffynnon Ddu. Der größte Teil des Nationalparks besteht aus Moorlandschaft, darin verteilt etwas Forstwirtschaft und Weideland. Seit 2005 gibt es einen durchgehenden Wanderweg, der von Abergavenny aus über eine Distanz von 100 Meilen an Crickhowell vorbeiführt und in Bethlehem, Carmarthenshire endet. Da kommt der Weg dann schon an die Grenze zu Snowdonia. Auf seinem Weg von Brecon nach Cardiff führt auch der vielleicht bekannteste Wanderweg der Insel, der Taff Trail, durch die Beacons. Ebenso wie der Langstreckenradweg National Cycle Network Route 8, Lôn Las Cymru, der dann in Holyhead auf der Insel Anglesey endet. |
Sonntag, 17. Juni 2018: Swansea, Mumbles, Penmaen, Rhossili
Ehrlich gesagt vermisse ich Sue und Garath und die Lowerfield Farm ein wenig. Irgendwie war das dort viel weitläufiger und großzügiger als hier. Dafür gibt es hier im Lodge eine brandneue großartige Dusche mit viel heißem Wasser. Aber das um Faktoren größere Haus in Willersey, das Gästewohnzimmer und die lange Flure machten den Aufenthalt angenehm. Hier im Lodge ist man mehr auf sein Zimmer fixiert. Denn mal mehr unterwegs sein und die Weite draußen genießen.
Die Wolken hängen tief in den Bergen, Regen ist angesagt. Kein Wandertag, dafür dann einen Abstecher nach The Gower, die nur 40 Kilometer von hier im Süden westlich von Swansea liegende Halbinsel. Erst kurz vor der Küste lichtet sich der Nebel etwas, dazwischen fährt man zum Teil in den Wolken. Zuerst mal nach Mumbles, dem Vergnügungsdorf von Swansea mit den vielen Kneipen und Cafes. Trotz des Nieselns gehe ich einen vertrauten Weg auf den Mumbles Hill hinauf, dort oben ist es aber noch dazu windig und ich bin schnell durchfeuchtet. Dann lieber zurück nach Mumbels und ins Verdi’s, ein Restaurant, das ich schon seit meinem ersten Besuch auf Gower kenne. Kaum habe ich mein Sandwich bestellt, fällt mir ein, dass es hier auch prima Pizza und Pasta gibt. Egal. Im Laden ist es rappelvoll, draußen unter einer Überdachung ist es nicht nur trocken, dort darf man auch rauchen. Denn kalt ist es nicht, nur nass. Zurück zum Auto und weiter auf der sentimental journey. Mumbles hat sich wenig verändert seit ich 2013 das letzte Mal dort war. Zwei neue Bauten gibt es, beides sind Restaurants. Im Sommer und bei gutem Wetter bekommt man manchmal kaum einen Platz hier, Mumbles ist direkt am Wasser ist der Ort, wo man sich am Wochenende zum Essen und Herumhängen trifft.
Weiter nach Gower, es hat aufgehört zu regnen. Ich kann es mir nicht verkneifen und fahre bei Peter und Sian im Mulberry Hill in Penmaen vorbei. Das erste Mal war ich dort 2005 zu Gast, dann 2006 und 2013. Sie sind tatsächlich zuhause und ich quatsche noch eine ganze Weile mit ihnen in der Küche. Nächster Halt ist Rhossili. Leider hat es wieder angefangen zu regnen, aber ich wickle mich in meinen Regenmantel und gehe fast den gesamten Strand herunter, das sind dann so fünf Meilen. Zurück geht es über den höher gelegenen Weg. Noch zu erwähnen am Rande: an die 5,5 Meilen Rhossili Sands schließen sich dann quasi nahtlos die 4,5 Meilen von Whiteford Sands an. So viel zu den Stränden hier in Südwales. Wirklich 100 Meter vor dem Auto gerät der rechte Schuh dann doch in ein Matchloch und ich habe wenigstens eine Beschäftigung hier in Llanfrynach. Reiseberichte von Gower gibt es übrigens aus 2010, 2006 und 2005. Was mir allerdings schon auf der Hinfahrt auffiel, war der zunehmende Verfall von Swansea, das früher eine recht schöne Stadt war. Andererseits gibt es nun zusätzlich einen großen Tesco, der aber die Innenstadt noch uninteressanter macht. Angefangen hatte die Verödung von Swansea mit dem großen Einkaufszentrum am Rand der City. Was in der Stadtmitte übrig blieb, waren Billiggeschäfte, Spielhöllen und Handyläden, weil man die in diesem piekfeinen Shoppingcenter nicht haben sollte.
Zwar war ich eine Menge unterwegs, aber bei diesem Wetter macht es keinen großen Spaß. Der Wetterbericht macht nicht viel Hoffnung, erst ab Dienstag soll es wieder langsam aufwärts gehen. Ab Freitag wieder viel Sonne und 24 °C. Da bin ich aber leider schon auf dem Rückweg. Nicht meckern, dafür war die Woche in den Cotswolds trocken und warm. Dann kann ich wenigstens in Dover abends in der Sonne sitzen. Mir war nämlich eingefallen, dass ich noch nie an der Seaside war, vorne zum Hafen hin. Sollte ich noch ein ganz anderes Dover finden? Stay tuned. Ich arbeitete mich aus dem Dunstkreis Swansea zurück in die Brecon Beacons, putze meine Schuhe und dokumentiere diesen Tag. This should do. War schön, wieder Mulberry Hill, Peter und Sian zu sehen. Ich muss irgendwie bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Ich hoffe positiv. Ach ja, Ms Kitty ist zwar inzwischen schon zehn Jahre alt, sieht jedoch immer noch wie eine junge Katze aus.
Montag, 18. Juni 2018: Tour bei Allt yr Esgair, Lake Llangors
Der Wetterbericht sollte recht behalten, es gibt sonnige und wolkige Abschnitte. Bronwyn, meine Gastgeberin, empfiehlt mir eine Tour bei Allt yr Eggair, nur wenige Kilometer hinter Brecon. Es ist die #7 im Pathfinder Guide für die Brecon Beacons, sie beginnt auf einem einfach zu findenden Parkplatzan der A40 Richtung Abergavenny. Die erste Hälfte des Weges geht es teilweise steil auf einen Hügel hinauf, nach einer scharfen Wende kommt man tatsächlich auf den Gipfel des Hügels mit einem 360°-Rundumblick. Leider ist es inzwischen wolkig, an einem klaren sonnigen Tag muss der Ausblick immens sein. Heute eben weniger. Obwohl im Pathfinder Guide eher als leichter klassifiziert, geht es immerhin 350 Höhenmeter aufwärts. Die Aussichten sind auch, wenn sich der Wald mal lichtet, durchaus schön und interessant. Aber es ist für die erste Hälfte eine reichliche Latscherei. Was tut man nicht alles für die Kondition.
Es geht wieder runter zum Parkplatz, Zeit für einen Imbiss. Hm, erst zwölf Uhr. Ich beschließe noch einen Abstecher zum Lake Llangors, den ich schon von oben auf meinem Weg gesehen habe. Der größte natürliche See in Südwales, ein Überbleibsel der Eiszeit vor 11.000 Jahren, während der Eisenzeit war er noch deutlich größer. Ein Weg führt am See vorbei, mit einer gelungenen und sehr aufwändig gebauten Station für die Vogelbeobachtung. Selbst Prince Charles war schon hier. Eine kleine Kirche kommt etwas später, aus viktorianischer Zeit, gebaut für einen gewissen Robert Raikes, der damals den Kindergottesdienst erfunden hat. Zur Kirche gehört noch ein großes Herrenhaus. Ganz nette Hütte mit großem Garten. Wäre auch noch eine Wohnalternative.
Die Knaller waren beide Touren nicht, die erste wetterbedingt. In den Bildern unten sind noch ein paar Details über die Vogelbeobachtung. Und natürlich Pferde. Aber man bekommt so den Tag herum. Einkäufe für die nächsten Tage bei Morrisons, noch einige Blicke in Seitentäler auf meinem Weg zurück nach Llanfrynach. Dafür habe ich mir jetzt eine Blase gelaufen. Irgendwas ist immer. Zum Glück weiß ich, wo in Brecon der Boots ist. 😎
Dienstag, 19. Juni 2018: Aberdulais, Neath, Merthyr Tydfil, Brecon
Das Wetter meint es auch heute nicht gut mit mir. Die Wolken hängen fast bis auf die Dächer. Zack, National Trust-Katalog raus! In der Nähe von Neath, einige Meilen östlich von Swansea, werden die Aberdulais Tin Works angepriesen. Eine alte Fabrikanlage, in der bis in die Fünfziger verzinntes Stahlblech hergestellt wurde, mit dem Wales fast zwei Jahrhunderte lang den Weltmarkt beherrschte. Für die ersten Bierdosen aus Llanelly, Konservenbüchsen, Schilder und Spielzeug. Nachdem jemand herausgefunden hatte, dass verzinntes Stahlblech nicht mehr rostet. Einen Teil der Geschichte kenne ich, dass Kohle aus Wales nach Cornwall verschifft wurde und die Schiffe Zinnerz nach Wales zurück brachten. Leider regnet es hier beständig und nieselig, auch viel zu sehen gibt es nicht. Das ist bei den Beschreibungen des National Trust oft so, großartig angekündigt, dann doch eher übersichtlich. Einige alte Mauern und Werkzeuge, ein großes Mühlenrad, das die Maschinen antrieb und noch heute läuft und Strom erzeugt. Gut gemacht sind dagegen Video-Installationen in zwei Gebäuden, die die Geschichte der Menschen, die dort arbeiteten, sehr begreiflich machen. Die Leute arbeiteten ab dem sechsten oder siebten Lebensjahr in den Werkshallen, ab morgens vier oder fünf bis zum Abend um sechs oder sieben Uhr. Knochenarbeit, heute kaum noch vorstellbar. Erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Kinder geschützt und die Arbeitsbedingungen durch Maschinen verbessert.
Es war einmal …Was der durchschnittliche Besucher nicht sieht, ist die wirtschaftliche Geschichte dieser Gegend. In den Achtzigern, als die Thatcher-Regierung den Neoliberalismus einführte, waren Kohle und Industrie wichtige Jobgeber in diesem Bereich. Mit der neuen Ausrichtung auf einen freien Markt verstarben alle Kohleminen in Südwales, in einigen Orten stieg die Arbeitslosigkeit über 50%. Manche kleinen Orte verschwanden ganz, weil die arbeitslosen Bewohner abwanderten. Dieser Niedergang ist heute nicht mehr wirklich sichtbar, mir sind nur einige aufgelassene Häuser und Geschäfte aufgefallen. Damit ist die Besiedlungsdichte in Südwales erheblich geringer geworden, die verbliebenen Bewohner arbeiten in der Landwirtschaft, im Tourismus oder in der Verwaltung. Ein detaillierter Artikel in der le monde diplomatique über Großbritannien schildert die Veränderungen, einschließlich Berichten von vor Ort. Gibt es auch einen Beitrag im Writer’s Blog. |
Es ist Mittag und es regnet weiter. Ich fahre nach Neath hinein, um etwas zu essen und mal zu schauen. Ich bin nun mal subjektiv: Neath ist hässlich und langweilig. Die Jacket Potatoe im ten21 ist gut und reichlich, der Cappuccino besteht fast nur aus Milch. Außerdem redet mich die Bedienung dauernd mit „Darling“ an, so etwas kann ich ja gar nicht ab. Weiter nach Merthyr Tydfil. Irgendwann muss es ja besser werden. Aber nur tendenziell. Merthyr Tydfil ist etwas aufgeräumter und weitläufiger als Neath, hat auch eine Market Hall. Unglaublich, was da alles feil geboten wird, habe ich in Deutschland so noch nie gesehen. Kartoffeln, Büstenhalter, Werkzeug, Spielsachen, Wurst und Fleisch, Kleidung, gebrauchte Bücher, die geschmackvollsten Andenken. Bekannter ist der Ort eigentlich für seine Burg, aber die ist dauernd angezeigt, verschwindet dann wieder zügig aus dem Gesichtsfeld. Ist eh nicht National Trust, also schenken. Bis heute eigentlich nichts so wirklich positiv. Kommt dann immer überraschend. Die Verbindung nach Brecon ist die A470. Diese gut ausgebaute Straße führt über einen Sattel neben dem Fan Fawr vorbei. Würden die Wolken nicht so tief hängen, müsste das von hier eine bombastische Aussicht sein. Nicht umsonst sind dort oben drei große Parkplätze für Autos und Busse. Von dort bis in die höheren Regionen sind es wohl nur 200 oder 300 Höhenmeter. Zum Beispiel Tour #15 im Pathfinder Guide Brecon Beacons. Merke ich mir, für einen Tag mit besserem Wetter. Aber Vorsicht, neben der Straße geht es sehr tief abwärts, und Leitplanken sind da keine.
Tank ist fast leer, zurück nach Brecon. In der Morrisons-Tankstelle kostet Diesel 1,29 £ den Liter. Dafür schwinden nun die Pfunde. Und der Cappuccino-Bedarf ist auch noch nicht gedeckt. Da war doch eine NatWest-Filiale in Brecon? Vorher geht es in die Coffee Box. Dieser Cappuccino ist vorzüglich, das Bara Brith eine Wucht. Noch etwas herum schauen, denn in Brecon ist es nicht nur trocken, sondern auch 23 °C warm. Nein, meinte die Bedienung im Cafe, in Brecon wäre es den ganzen Tag trocken gewesen. Also sich selbst im Weg gestanden. Tatsächlich, so bestätigt es Gastgeberin Bronwyn, ist das Wetter in den walisischen Bergen sehr launisch. Wenigstens entdecke ich auf der Suche nach der Bank noch die kleine Market Hall in einer Seitengasse. Kein besonders toller Tag. Immerhin habe ich jetzt zwei Beifahrer auf der Rückbank. Hoffentlich sind deren Pässe in Ordnung, für den Wechsel zum Kontinent. Ansonsten müssen sie halt rüber fliegen, dabei können sie gleich von oben die Zollstationen abfackeln, meinen sie. Hütet Euch!
Mittwoch, 20. Juni 2018: Llangynidr, Talgarth
Es ist nur wechselnde Bewölkung angesagt. Trotzdem kein Tag für größere Touren, sondern für kleinere, die dann ausarten. Die Tour #3 aus dem Pathfinder Guide ist als Kategorie Grün gekennzeichnet. Also eher einfach und kurz. Sie beginnt nur wenige Kilometer hinter Llanfrynach, ich fahre eine Nebenstrecke, die auch durch Talybont-on-Usk führt, ein schönes kleines Städtchen. Aber erst mal weiter. Der öffentlichen Parkplatz finde ich erst nicht. Erst der Kneipenwirt im Coach and Horses weist mir den Weg. Man muss ein ganzes Stück durch den Ort, der scheinbar schon endet, aber dann erst richtig beginnt. Rechts gegenüber der Town Hall ist der Parkplatz, wo auch die Recycling-Tonnen stehen. Es geht zum River Usk herunter, leider erst, nachdem ich den richtigen Abzweig gefunden habe. Das Schild zum Wanderweg ist so groß wie ein Spielkarte und zugewachsen. Manchmal muss man die Wegbeschreibungen zusammen mit der Karte sehr genau beachten. Danach führt der Weg eine ganze Zeit lang am River Usk entlang.
Der Weg ist alles Andere als einfach zu gehen. Man muss über Felsen klettern, sich in Wänden entlang hangeln oder auf Brocken durch Matschflecken hangeln. Über Baumwurzeln klettern, sich durch den Farn schlagen, weil zwar der Weg ausgetreten ist, aber auch fast zugewachsen. Einfach geht anders. Nichts für kleine Kinder oder Leute ohne eine gewisse Trittsicherheit. Trotzdem ist die Ecke wunderschön, der Fluss bildet hier mal Stromschnellen, dort mal kleine Wasserfälle. Gelegentlich gibt es Felsplateaus in den Fluss hinein, auf denen man sich niederlassen und das Wasser beobachten kann. Auch Flora und Faun sind erstaunlich, blaue Libellen und Gras, das wie kleine Bambusstangen aussieht. So anstrengend der Weg zu gehen ist, so idyllisch und abwechslungsreich ist er. Aber eben auch anstrengend. Man passiert die alte Llangynidr Bridge, die Ende des 16. Jahrhunderts erbaut wurde und nur für Packpferde gedacht war. Heute passt da maximal ein VW Golf drüber. Was hatten bei dieser Brücke dann für Pferde? Als ich am Ende in Llangynidr wieder heraus komme, sind die Beine doch etwas matschig. Und ich durchgeschwitzt.
Die Wende der Tour kommt im Ort am Kanal. Was ich erst für einfachen Sperren gehalten habe, ist in Wirklichkeit eine Staustufe mit einer handbetriebenen Mini-Schleuse. Ein Boot kommt gerade und ich schaue mir das Umsetzen an.
Den Kanal weiter herunter kommen noch weitere Boote. Manche stehen am Ufer, dort gibt es Ladestationen für die Akkus oder für frisches Wasser. Diese Boote kann man mieten, ich schaue in eines hinein, sie haben tatsächlich zwei Schlafzimmer mit je zwei Betten, eine komplette Küche und ein Wohnzimmer, am Ende noch einen Stauraum für Gepäck und Vorräte. Den Kanal weiter herunter kommen noch weitere Boote. Manche stehen am Ufer, dort gibt es Ladestationen für die Akkus oder für frisches Wasser. Diese Boote kann man mieten, ich schaue in eines hinein, sie haben tatsächlich zwei Schlafzimmer mit je zwei Betten, eine komplette Küche und ein Wohnzimmer, am Ende noch einen Stauraum für Gepäck und Vorräte. Insgesamt sehe ich sieben dieser Boote, die Passagiere grüßen freundlich, für diese Art des Reisens muss man wohl einige Zeit einplanen. Ich gehe auf dem Towpath entlang des Kanals weiter, auf diesem Weg wurden früher die Boote von Pferden gezogen, bevor Boote Motoren bekamen. Normal wäre dieser Weg langweilig, aber nach dem Gekraxel am Fluss entlang ist der Weg geradezu eine Erholung. Mal wieder ein paar Meter geradeaus gehen. Kurz vor der dritten Brücke geht es wieder auf die Zufahrtsstraße zurück, die ich am Anfang gegangen bin. Eine anstrengende, aber auch spannende und sehenswerte Tour. Zwei Stunden waren dafür angegeben, ich brauche mit der Mittagspause auf einer Bank am Kanal und Beobachten des Durchschleusens gut drei Stunden.
Einen habe ich noch. Nicht weit von Brecon liegt ein weiterer Ort, der immer wieder gerne als Ausgangspunkt für Touren hier genannt wird: Talgarth. Talgarth liegt an der Grenze zwischen Brecon Beacons und den Black Mountains. Der Ort ist allerdings gerade mal ein Dorf, mit einigen Pubs und einer Mühle, die noch in Betrieb ist. Dort wird immer noch Mehl gemahlen, die Bäckerei und ihr gemütliches Cafe nebenan fabrizieren neben Brot und Brötchen noch sehr leckeren Kuchen. Auf Wunsch auch Suppen und Sandwiches. Sogar der Cappuccino geht als ordentlich durch. Der Ort hat gerade mal einige Straßen, einen CooP-Minimarkt und einen chinesischen Imbiss. Dazu das Cafe und die Bäckerei. Schön ist er, nur alte Häuser, ein Bach fließt hindurch, es ist ruhig und beschaulich. Keine Alternative zu Brecon. Trotzdem nett, dort gewesen zu sein und meinen täglichen Milchkaffee abzuholen. Plus frisch gebackenen Apfelkuchen.
Bis auf gelegentlichen Nieselregen, der aber immer nur ein oder zwei Minuten dauerte, ging das Wetter so eigentlich. Kalt ist hier eh nie, wenn die Sonne sich sehen ließ, war es sogar mit Regenjacke zu warm. Sollte tatsächlich das Wetter morgen besser werden, sollte noch ein größere Tour drin sein. Bevor morgen Abend der Wagen wieder gepackt wird. Leider.
Donnerstag, 21. Juni 2018: Ystradfellte, Cwm Porth, Penderyn, Brecon
Am Morgen strahlt die Sonne vom Himmel. Letzter Tag, letzte Chance für eine richtige Runde. Ich bin unschlüssig, es würden sich mehrere Routen anbieten. Ich konsultiere meine Gastgeberin und sie rät mir zu einem Ausflug in das Waterfall Country, ein Rundweg an vier Wasserfällen vorbei. Ok, mal versuchen. Eine Beschreibung der Runde hat sie als spezielle Karte. Dann man los. Der Weg beginnt in Cwm Porth, das kennt mein Navi nicht. Manchmal sollte man seinen eigenen Ratschlägen folgen, in die Karte sehen, wo man denn in etwa hin muss. Ich ignoriere meine eigenen Erfahrungen mit GPS in Wales, deshalb fahre ich erst mal in den nahe gelegenen Ort Ystradfellte. Das bestraft mein Navi damit, das es mich erst auf eine kleine Straße lotst, auf der die Seitenspiegel schon an den Hecken links und rechts kratzen. Die Straße führt in ein Tal zwischen zwei Höhenzügen, aus dem ein Entrinnen zwecklos erscheint. Ich gebe nicht auf. Aus der „Straße“ wird ein asphaltierter Weg durch eine Schafweide. Dann macht der Weg einen scharfen Schwenk und geht in einen Hang, den Höhenzug hinauf. Zwei Meter Asphalt vor mir, links geht es steil runter, rechts steil hinauf. Keine Leitplanken, freies Navigieren im Hang. Ich spüre, wie mein Puls leicht zulegt. Ich sage mir, dass ich jetzt da durch muss, konzentriere mich auf Weg und Geschwindigkeit und komme auf den Sattel. Da steht ein blauer VW Bulli, in dem der Fahrer Zeitung liest. Zum Glück ist es ab hier wieder halbwegs Straße, auf einer Hochebene.
Dafür kennt das Navi nun keine Straßen mehr, laut Display fahre ich auf den Feldern und Weiden herum, obwohl ich definitiv Straße unter den Rädern habe. Zum Glück taucht plötzlich an einer Kreuzung eine veritable Sammlung an Hinweisschildern auf, nach Brecon, Ystradfellte, Penderyn und zu den Wasserfällen. Wenige Meilen später stehe ich vor dem angezielten Parkplatz. Das Navigationssystem sollte man in Wales zum eigenen Schutz ausschalten und in alter Manier nach Karte und Schildern fahren. Da versagt sonst jedes Deo, wo einen die Dame im diesem Kasten hin schickt. Leider kostet der Parkplatz vier Pfund in Münzen. Also wieder raus und auf den großen, offiziellen Parkplatz, wo ein Parkplatzwärter waltet und mir einen Schein in Münzen tauscht. Dann wieder zurück nach Cwm Porth, den Parkschein ziehen und los. Eigentlich habe ich die Faxen jetzt schon dicke, beschließe jedoch, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Meine Lektion mit Navis in Großbritannien habe ich inzwischen hoffentlich gelernt, obwohl ich mich in den Lakelands nicht an solche Spaßereien erinnern kann. Na ja, ist ja auch Wales hier.
Der Parkplatz ist mittelschwer gefüllt. Der Weg ist etwas für Großstadtpflanzen, rote Punkte an Pfählen weisen den Weg, durchnummeriert von 1 bis 48. Durch einen Wald geht es streng abwärts und ich bedenke schon in diesem Moment, dassich das alles wieder hoch muss. Der Weg selbst ist gut zu gehen, zum Teil ziemlich steil. Zu den Wasserfällen muss man zusätzlich insgesamt 739 hohe Stufen runter und wieder rauf. Was als Wasserfall bezeichnet wird, nenne ich eher „Wasser purzelt über einen dicken Stein“. Nach dem ersten der vier angeblichen Wasserfälle, ich assoziiere mit dem Begriff eher das, was ich Norwegen gesehen habe, spare ich mir weitere Stufen. Bis auf den letzten Wasserfall, der mit etwas Wohlwollen als solcher durch geht. Ok, vielleicht wären die Touren #13, #17 oder #18 aus dem Pathfinder Guide doch eher das gewesen, was ich unter einer ordentlichen Tour verstehe. Diese Wasserfallrunde gibt es im Pathfinder Guide auch als #24, Waterfall Walk. Allerdings mit 14,5 Kilometern Länge und 640 Höhenmetern. Gewinnen wir der Tour etwas Positives ab: gut 10 Kilometer gegangen, ca. 300 Höhenmeter und zu viele Stufen gemacht. Inzwischen ist es halb drei. Ich fahre nach Karte, die mich schnell zu einer Hauptstraße führt. In Penderyn erledige ich noch etwas für meinen Bruder, danach zurück nach Brecon. Die Coffee Box ruft. Der Weg von Penderyn nach Brecon, nicht die A470, sondern die Nebenstrecke, ist ein Erlebnis. Es ist eine unglaublich große Hochfläche zu überwinden, Schafe und wilde Ponies stehen herum, in der Ferne die höchsten Erhebungen in diesem Gebiet. Ein phantastischer Ausblick.
Noch ein letzter Kaffee und ein Stück Coffee Cake in Brecon, im Morrisons hole ich noch Brötchen und ein Chutney fürs Abendessen. Zurück nach Llanfrynach mache ich noch Halt am Kanal, den ich über eine Brücke nun oft überfahren habe. Es ist der Kanal, der gestern in Llangynidr Teil des Weges war. Auch hier bei Llanfrynach gibt es eine Schleuse. Man kann den gesamten Kanal komplett abwandern, viele Leute fahren auch mit dem Rad entlang. Ich muss mir das Miniatur-Schiffshebewerk natürlich noch einmal ansehen, der Schiffsverkehr auf diesem Gewässer ist enorm. Heute habe ich noch einen anderen Anbieter gesehen, der die Dinger vermietet. Und habe gelernt, dass die Boote hier Narrowboats heißen. Stimmt, sind schmal, aber ziemlich lang. Wahrscheinlich ziemlich pfriemelig, damit zu navigieren. Aber immer noch leichter als mit dem Navi in meinem Auto.
Bei meinem letzten Kaffee in diesem schönen Cafe in Brecon überkommt mich eine gewisse Wehmut. Inzwischen ist Brecon schon viel vertrauter, ich kenne die Parkplätze, die Geschäfte und wo ich den besten Kuchen bekomme. Zwischen Llanfrynch und Brecon brauche ich keine Karte mehr, auch kein Navi. Wie aus einem unbekannten Ort so schnell eine vertraute Umgebung werden kann, ist immer wieder erstaunlich.
Freitag, 22. Juni 2018: Llanfrynach, Dover
Zurück in der Zivilisation, zurück in Dover. Bis auf einige Staus auf der M25, wie üblich, ging die Fahrt angenehm vonstatten. Dem Navi wollte ich noch eine letzte Chance geben. Zum Dank wollte es mich dauernd von der gut ausgebauten A40 auf irgendwelche Nebenstraßen durch winzige Käffer lotsen. Gut, dass ich selbst wusste, wie ich zu fahren hatte. Hier im Churchill Guesthouse endlich wieder ein stabiles WLAN. Das Netz in The Lodge hat mich zur Verzweifelung gebracht. Manchmal stürzte WordPress wegen des instabilen Netzes alle paar Minuten ab, vergaß alle Änderungen und nahm noch gleich die Bildergalerie mit ins Grab. Wie ich nun feststellen musste, passiert das hier auch.
Verändert hat sich im Churchill Guesthouse zum Einen wenig, zum Anderen viel. Die Fassade ist neu gestrichen, das Dach erneuert. Alex hat den Frühstücksraum renoviert, es gibt jetzt nur noch einen großen Esstisch, weil in diesem Hause schon immer Wert auf Austausch gelegt wurde. Es werden nun geführte Touren oder Radausflüge angeboten, dazu ist Alex ausgebildeter Physiotherapeut und bietet Massagen und weitere Behandlungen an. Die Zimmer haben sich nicht verändert, ich habe wieder das Einzelzimmer Blenheim, das den strategischen Vorteil eines eigenen Eingangs zum Hof hat. Perfekt für Raucher. Im Moment ist vor meinem Fenster Action, Alistair baut hinter dem Haus eine Sitzecke, wo die Gäste am Abend noch ein Bier oder einen Wein genießen können. Oder eine Zigarette. Alex scheint hier nach und nach neue Seiten aufzuziehen. Was Zeit wurde. Wo sich allerdings Einiges verändert hat, ist um das Guesthouse herum. Was mich manchmal zum Staunen gebracht hat.
In meinen letzten Erinnerungen war Dover ein etwas herunter gekommenes, ärmliches und trostloses Nest. Aber da tut sich was. Nachdem das Hochhaus der British Telecom abgerissen wurde, ist dort ein Einkaufszentrum im Aufbau. Nun sind Einkaufszentren nicht unbedingt etwas Schönes. Hier hat das zur Folge, dass ein Costa (Kaffee, Snacks und Kuchen), ein Greggs (Backwaren und Kuchen) sowie ein M&S-Lebensmittelgeschäft zu finden sind. M&S ist hier so das, was bei uns Edeka ist, also etwas gediegener und feiner. Durch den steigenden Anteil an Kunden und Besuchern haben sich gleich nebenan im Ort zwei Bistros angesiedelt, ein türkisches und ein lokales. Wenn man nun abends hier eine Kleinigkeit essen möchte, geht das jetzt. Auch zwei Restaurant sind dazu gekommen, ein indisches und ein Fischrestaurant. Einige Häuser in der Stadtmitte sind renoviert, es war heute Abend gegen sechs noch richtig Betrieb auf der Main Street. Das war früher anders, da war der Ort um sechs mausetot. Ein großes Travel Lodge-Hotel ist jetzt gebaut worden, alles zusammen bringt Betrieb und vor allen Dingen Geld in die Stadt. Da hat wohl mal jemand nachgedacht. Ach ja, einen KFC findet man jetzt auch am Market. Insgesamt wirkt Dover belebter, nicht mehr so ärmlich und nähert sich wieder dem Stand einer typischen englischen Stadt.
Zum ersten Mal hier übernachtet habe ich den frühen Achtzigern. Heute habe ich zum ersten Mal die Seaside besucht, die ich oft von der Fähre aus gesehen, aber nie als wesentlich wahrgenommen habe. Auch dort wird gearbeitet, die etwas herunter gekommenen Hotels werden renoviert, einige sind schon fertig und erstrahlen in altem neuen Glanz. Sogar ein Mövenpick hat sich hier niedergelassen. Überhaupt ist die Seeseite fast komplett neu gestaltet. Die ehemaligen Western Docks, die seit dem Ende des Luftkissenboot-Betriebes brach lagen, werden komplett umgebaut, zur Marina mit Cafes, Restaurants und Läden. Im Moment herrschen hier noch die Bagger und Betonmischer. Wenn das aber mal fertig ist, könnte es eine echte Attraktion werden und wieder mehr Leute zum Übernachten in Dover animieren. Vielleicht hat Dover dann doch wieder eine Zukunft. Zu gönnen wäre es ihr.
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Meine Fähre geht morgen in der Früh um 10:15 ab. Danach liegen noch knapp 700 Kilometer vor mir und ich bin wieder in Nienhagen. Dann wird es Zeit für ein Fazit.
Samstag, 23. Juni 2018: Fare thy well
Dass ich das noch erleben darf: pünktlich um 10:15 wirft der Kapitän die Diesel an und wir verlassen Dover. Genau so pünktlich sind wir in Calais, um 12:45 nach lokaler Zeit. 700 Kilometer legen nun noch vor mir. Die gehen recht zügig vorbei, keine Staus, nur kleinere Baustellen. Wieder beweisen die Belgier, wie die Briten zuvor, dass die deutsche Regelung, bis zum Spurende zu fahren und dann das Reißverschlussverfahren zu beginnen, dass das Quatsch ist. Auch in Belgien fängt man an, sich auf die andere Spur einzufädeln, so bald man weiß, dass die Spur endet. Funktioniert super, ohne größere Staus. Um 19:20 bin ich wieder in Nienhagen.
Juli 2018: Nachlese
Wie intensiv und wie groß ein Urlaub war, kann man meistens erst ein oder zwei Wochen später beurteilen. Was blieb im Gedächtnis? Welche Eindrücke und Gefühle kommen beim Rückblick auf? So etwas manifestiert sich dann oft bei mir in solchen Gedanken wie heute Morgen: Eigentlich wäre ich jetzt lieber wieder in Broadway, oder wenigstens in Brecon.
Beide Gegenden, obwohl so unterschiedlich, haben viele positive Erinnerungen beigetragen. Das Wandern in der Bergen der Beacons, die Ausblicke und Momente der Ruhe über den Höhen des südlichen Wales, genau so jedoch auch das heimelige Broadway mit seinen vielen kleinen Geschäften und dem überbordenden Angebot an Leckereien und kulinarischen Sünden. Das Stöbern in den Läden gibt es hier zuhause fast gar nicht, was soll man bei Karstadt oder Porta schon stöbern, so nichtssagend und geschmacksarm der ganze Kram dort ist. In England bietet schon ein Haushaltswarenladen ein Vielfaches an Anregung und Aufmerksamkeit. Die Cotswolds haben nicht die eindringliche Weite der Beacons, die Beacons nicht die dunklen Wälder mit der Vielfalt der Vegetation. Und die Beacons haben eben nicht Stow-on-the-Wold und Bibury und Chipping Campden. Unentschieden, würde ich sagen.
Der Alltag hat wieder seinen Platz gefunden, das Büro, die Staus auf der A7. Unangenehm nur der Drang, endlich wieder los zu gehen, mal wieder Stunden allein auf weiter Flur unterwegs zu sein, was hier im südlichen Niedersachsen so nicht geht. Es sei denn, man geht den gleichen Weg noch zum 1.435sten Mal wieder. Das ist der wesentliche Punkt für die Cotswolds und die Beacons. Will man unterwegs sein, mit mehr Wegen und Pfaden, als man in einem Dutzend Jahren bewältigen kann, dann ist das in Großbritannien naheliegend. Das macht viel an dem Reiz aus, den dieses Land auch nach vierzig Jahren für mich immer noch hat. Weshalb ich mich schon jetzt auf das nächste Mal freue. Auf die White Cliffs of Dover, Rhossili und den Mount Snowden, Grasmere und Ambleside, St Ives und Penzance. Kommt wieder. Versprochen.