Und noch einmal: die South Downs

Die Sache mit dem kleinen roten walisischen Drachen auf dem Rücksitz meines Autos war unerwartet leicht zu handhaben. Der kleine englische Löwe mit seiner Strubbelmähne kam für diese Reise wieder an seine Seite. Und kaum verließen wir in Dover die Fähre, stimmte der Löwe schon sein Lied an:

"And did those feet in ancient time
Walk upon England's mountains green.
And was the holy Lamb of God,
On England's pleasant pastures seen ..."

Der Drache wagte in den verbleibenden Tagen keinen Kommentar und beschränkte sich darauf, gelegentlich etwas wie „Roeddwn i’n gwybod ei fod“ zu murmeln („Ich habe es ja gewusst“). Während der Löwe ganz aus dem Häuschen war, wieder das englische Heimatland zu sehen. Die sanften Hügel in Kent und den Garden of England zu unserer Rechten.

Waren in 2014 die westlichen South Downs in Hampshire angesagt, wurde in 2015 der östliche Teil erkundet. Das ist East Sussex, das gesamte Gebiet der South Downs beginnt im Osten bei Eastbourne und reicht dann im Westen über 170 km bis Winchester. Obwohl das langgestreckte Gebiet sehr weitläufig ist und man in einer Woche höchstens von einem Hineinriechen sprechen kann. Und doch, die beiden Gegenden unterscheiden sich erheblich.

Lessons learned: Here and there and around

East Sussex hat nicht so viele Cottages und B&Bs zu bieten wie Hampshire. Dieser Teil der South Downs ist der unbekanntere, so zu sagen kleinere, weniger spektakuläre, nicht so touristische. Er ist eben nicht der Kern der South Downs. Zwar hat der National Trust auch hier eine Menge Sehenswürdigkeiten zu bieten und die Mietpreise liegen deutlich unter denen des östlichen Teils. Dafür ist er mehr durch Städte, Industrie und Verkehr geprägt. Die Nähe Londons hängt damit zusammmen. Trotzdem finden sich hier auch ruhige, stille, heimelige Plätzchen.

Thema Anfahrt: nein, obwohl der Osten der South Downs näher an Dover liegt, ist die Fahrzeit nicht viel geringer als in den Westen. Besonders die Strecke entlang der Küste von Brighton nach Folkstone ist in der Entfernung ein Katzensprung, zieht sich wegen der vielen Dörfer und Umwege dann sehr in die Länge. Und über die Autobahn macht es höchstens eine halbe Stunde zwischen Westen und Osten der South Downs aus.

Freitag, 17. Juli 2015: Anfahrt

Normalerweise ist die Anfahrt nach Großbritannien mittlerweile unspektakulär. Man kennt jede Radarfalle, jede Brücke und es ist schon fast wie die morgendliche Fahrt ins Büro. Nach den fast 40 Jahren auf dieser Strecke. Die White Cliffs Of Dover, durch Dover auf die A20, geplanter Stop in Maidenhead. Doch bei Folkestone plötzlich ein ungewohntes Bild. Der Verkehr auf der A20 und M20 steht. Eine endlose Kette von LKWs auf der drüben rechten Spur, Abstand zwischen den Fahrzeugen weniger als einen Meter, die Autobahn selbst ist gesperrt.

Operation Stack

Operation Stack

Ursache ist die Operation Stack. Wegen des Streiks der französischen Hafenarbeiter können in Calais keine LKWs mehr abgefertigt werden. Deshalb müssen sie leider in England bleiben. Nur ist nirgendwo Platz bei den Raststätten für fast 5.000 Fahrzeuge, kurzer Hand wird die A20/M20 gesperrt und dient als Parkplatz für die Brummies. Die M20 wird zum Riesenparkplatz. Weiterer Effekt der Sperrung ist, dass sich der umgeleitete Verkehr Richtung Dover bis weit in Richtung London auf den Landstraßen staut (Bildquelle: Wikimedia). Über 30 Kilometer lang ist der provisorische Parkplatz. Diese ganze Geschichte erklärte dann auch die enorme Verspätung aller Fähren um ein oder sogar zwei Stunden. Diese Operation Stack sollte uns auf dem Rückweg noch Kopfzerbrechen bereiten.

Barn Owl Cottage

Barn Owl Cottage

Ansonsten geht die Fahrt über M20 und M23 nach Brighton durch Kent nach Sussex, kurz vor Brighton nach Osten Richtung Eastbourne und nach Newhaven. Unsere Unterkunft ist das Barn Owl Cottage auf der Foxhole Farm. Mal wieder umgebaute ehemalige Ställe, uralt und aus Naturstein gemauert. Etwas außerhalb von Newhaven gelegen, an der Straße nach Seaford, gut 300 Meter von der Straße entfernt und durch einen Hang akustisch und optisch abgetrennt. Daher ruhig, klassisch englisch eingerichtet, bereits mit Milch, Kuchen, Tee, Kaffee und etwas Toast im Kühlschrank vorbestückt. Ein kleiner Vorgarten mit Bänken und Tisch für jedes Cottage. Das Häuschen ist empfehlenswert und ohne Fehl und Tadel. WLAN aus dem Haupthaus ist etwas schwach, aber vor der Tür geht es ganz gut.

Samstag, 18. Juli 2015: Ortserkundung

Nach einem Frühstück wird erst einmal die Gegend erkundet. Man kommt zu Fuß von der Foxhole Farm nach Newhaven, geht zuerst durch einen kleinen Park, landet in einem unschönen Industriegebiet, quert am Hafen vorbei über vielbefahrere Straßen die Zufahrten nach Newhaven. Irgendwie kommt man auch zum Ortskern, allerdings ist der Weg etwas ernüchternd.

Newhaven

Newhaven

Erst recht ernüchternd ist die Innenstadt von Newhaven. Das Städtchen wirkt insgesamt herunter gekommen, die Fußgängerzone ist selbst am Samstagvormittag fast leer. Von dem früheren Geschäftsgebiet sind nur noch Kramläden, Handy-Shop und ein kleiner, schmuddeliger CooP übrig geblieben. Heute wird im LIDL oder im Saintsbury eingekauft, die liegen in den Industriegebieten. Einziges Highlight in Newhaven ist ein größeres Bistro, das ein gutes und vielfältiges Angebot an Essen, Kuchen und Kaffee hat. Preise moderat, das Bistro selbst mit immer unterschiedlichen Tischen und Stühlen gemütlich, guter Cappuccino und gutes Essen. Doch Newhaven selbst hat nichts Attraktives, auch der Hafen zieht keine Leute in die Stadt. Wie in Dover ist die Stadt nur Randerscheinung, niemand isst oder übernachtet hier noch. Das Los vieler Hafenstädte mit den Fährübergängen. Die Gegend rund um den Hafen mit seiner großen Marina sieht etwas besser aus. Hier sind die besseren Wohnungen, es gibt auch ein paar italienische Restaurants und Kneipen. Urlaubsstadt ist Newhaven definitiv nicht.

Seaford

Seaford

Ernüchtert gehen wir zurück zur Foxhole Farm und fahren nun mal mit dem Auto die paar Meilen nach Seaford. Hier ist das Bild ein anderes. Dadurch, dass Seaford einen langen Strand hat und wesentlich vom Tourismus geprägt ist, sieht die Stadt auch anders aus. Der Ortskern hat viele kleine Geschäfte, jede Menge Restaurants, am Strand große Hotels und Cafes, hier ist mehr Leben und Verkehr als in Newhaven. Seaford ist ein klassisches älteres englisches Städtchen, die Wohngebete wirken gepflegt und aufgeräumt, man bekommt in den Geschäften alles Lebensnotwendige. Ein größerer Morrisons am Rand der Stadt ist die zentrale Einkaufsstelle für Lebensmittel. Seaford hat auch den Vorteil, dass es Eingangstor zur Küstenregion mit den Seven Sisters und den Wandergebieten ist. Seaford ist ein nettes Städtchen, das wir noch mehrmals besuchen sollten. Tipp für den Kaffee: das kleine Cafe in der Church Street, betrieben von einem Deutschen, der schon seit 20 Jahren dort lebt. Kuchen und Sandwiches sind nicht ganz englisch, das Brot ist nach deutscher Art selbstgebacken und uns eher vertraut, die Kuchen wieder mehr englisch. Aber Achtung, das Cafe hat nur fünf kleine Tische. Wenn ich richtig gezählt habe.

Wir belassen es in Seaford bei einem Gang entlang dem Strand. Übrigens kein Sandstrand, sondern eher eine Mischung aus Sand und Kieseln. Nur am Ende Richtung Newhaven gibt es einen aufgeschütteten Bereich, der fast nur Sand hat. Aber die Promenade selbst ist lang, fast zwei Kilometer. Am Ende zu Newhaven hin liegt noch ein großes Cafe, das wir nicht besucht haben. Lobenswert: das Parken an der Promenade ist kostenlos.

Lessons learned: So far, so good

Nach den Eindrücken aus den westlichen South Downs kann der östliche Teil schon etwas enttäuschen. Es fehlen der ländliche, ruhige Charakter, die hügelige Landschaft und die Wälder des Westens. Der eklatante Unterschied zwischen South Downs und dem Weald, der Tiefebene hinter den North Downs und South Downs, ist hier nicht zu sehen. Die östlichen South Downs leben mit der Nähe der großen Städte, Brighton, Eastbourne, auch noch London. Industrieanlagen und -gebiete sind um so mehr zu finden, je weiter man nach Osten vorstößt. Der Umkehrschluss gilt, je weiter man nach Westen fährt, desto ruhiger, hügeliger und ruraler wird es. Der Begriff Downs hat übrigens nichts mit down im ersten Sinne zu tun. Downs kommt zuerst vom keltischen, später altenglischen Wort dun, und das heißt Hügel. Unser deutsches Wort Düne hat die gleiche Wurzel. Also mal wieder false friends.

Was den Reiz dieses Gebietes ausmacht, ist die Küstenlinie. Die Kreideklippen sind schon beeindruckend, die Wege an ihnen entlang ziehen sich über viele Kilometer, das Klima direkt am Kanal ist etwas ruhiger als am vom Atlanktik beeinflussten Westen. Dieser Abschnitt des Nationalparks ist schon touristisch geprägt, aber mehr noch durch Wirtschaft und Handel. Den höheren touristischen Wert kann man mitnehmen: es gibt viel mehr Restaurants und Cafes als im Westen.

Sonntag, 19. Juli 2015: Seven Sisters, Birling Gap

Birling Gap

Birling Gap

Da wir mit dem Wetter einmal ausgesprochenes Glück haben, nutzen wir den Tag für eine erste Runde. In diesem Fall fahren wir hinter Seaford weiter bis Birling Gap. Wie der Name sagt, ein Einschnitt in der Küstenlinie, erreichbar über eine gut ausgebaute Nebenstraße hinter Seaford. An dieser Stelle finden sich ein Museum und eine Station des National Trust, mit Parkplatz, Shop, großem Restaurant und Cafe. Wir gehen erst los, Kuchen kommt später. Worauf man an dieser Art von Küste immer gefasst sein muss, ist das Bewältigen einiger Höhenmeter. Von Birling Gap hat man den ersten Blick auf die Seven Sisters zur Rechten. Am besten zu sehen, indem man die Stahltreppe vor dem Restaurant an den Strand herunter nimmt. So sehen wir die Seven Sisters das erste Mal.

Birling Gap

Birling Gap

Diese Tour ist nicht spektakulär, es geht an den Klippen entlang. Eine Runde zum Eingewöhnen, einzelne Sehenswürdigkeiten listet „Walk! The South Downs“ auf. Die Strecke endet an einem großen Hotel und Pub, dort gibt es noch einen Busparkplatz. Heute ist die Gegend fest im Griff einiger Schulklassen, die wohl dort ihren Ausflug zum Schuljahresende absolvieren. Zurück geht es im Landesinneren durch Dünen und Wäldchen. Eine nette Runde. Aber nach dem Southern Costal Path in Cornwall und den Touren in Snowdonia und auf Gower bin ich wohl mittlerweile etwas verwöhnt. Ok, nette Tour, keineswegs langweilig. So betrachtet wäre eine längere Tour, beginnend zum Beispiel in Seaford, bis nach Winchester eine interessante Sache. Das wäre dann der Gesamtverlauf des South Downs Path mit seinen fast 200 Kilometern, dem man hier immer wieder begegnet, denn er führt hier fast vollständig an der Küste entlang.

Montag, 20. Juli 2015: Hastings

Es war im Sommer 1973, ich war erst zarte 17 Jahre alt, als meine Eltern von meinem pubertären Gehabe die Faxen dicke hatten. Also durfte ich nicht mit nach Kärnten in die Sommerfrische, sondern wurde in einen Sprachurlaub verfrachtet. Der war in Hastings, zwischen Brighton und Dover gelegen. Und wenn ich schon in der Gegend war, wollte ich gerne sehen, was in meiner Erinnerung an diese Zeit noch Realität oder Verklärung war.

Hastings

Hastings

Hastings ist seit dieser Zeit enorm gewachsen, ist eine mittelgroße Stadt geworden, und doch hat sie sich an vielen Stellen nicht wirklich verändert. Noch immer ist sie ein Touristenort mit dem Strand, der Höhlen, bei denen 1066 die Normannen einfielen, mit der Standseilbahn auf den Hügel vor der Stadt zur Ruine hinauf. Immer noch viele Geschäfte, Restaurants, noch immer viele Sprachschüler. Mit etwas Sucherei finde ich auch wieder die damals verbotene Straße, in der regelmäßig deutsche Sprachschüler verprügelt wurden. Nur ich in meinem alten US-Parka und mit den langen Haaren war dort sicher. Dort waren nur Leute, die aussahen wie ich. Hastings Innenstadt ist zweigeteilt. Im neueren Teil im Westen sieht es aus wie in vielen englischen Städten dieser Größe. Die gleichen Handelsketten, Cafe Nero am zentralen Platz und Costa gleich gegenüber, viel Leben und Trubel. Auch wenn heute das Wetter nicht ganz so mitspielt. Es nieselt immer wieder.

Geht man in Richtung Osten, von der Neustadt durch den Fußgängertunnel hindurch, kommt man in die Altstadt von Hastings mit engen Gassen, uralten Häusern und putzigen kleinen Geschäften mit allerlei sehenswertem Kram. Dort steht auch das alte Pub, Ye Old Pump, in dem ich damals gerne war, auch wenn die Kundschaft dort mehr als zwielichtig aussah. Man kann in der Altstadt von Hastings eine ganze Zeit verbringen, geht vielleicht noch den Hügel hinauf, erkundet die Tudor-Häuschen aus uralter Zeit. Wenn es doch noch ältere und schönere Orte hier gibt, wie Rye oder Battle.

Hastings nicht gesehen zu haben, ist kein wirklicher Verlust. Aber die Altstadt ist schon sehenswert, und an einem nicht so warmen und klaren Tag, wo das Wandern nicht die große Freude macht, ist Hastings fürs Stöbern und Shoppen keine falsche Adresse. Und ja, ich habe vieles wiedererkannt, selbst das Haus mit der Sprachschule steht noch an der gleichen Stelle. Nur ist da heute ein Optiker drin.

Dienstag, 21. Juli 2015: Alfriston

Bei Alfriston

Bei Alfriston

Heute mal einen Blick in das Landesinnere, besonders das Dörfchen Alfriston ist in den Führern lobend erwähnt. Alfriston liegt nördlich von Seaford, wir parken am Eingang des Dorfes und machen zuerst eine Tour durch die Gemeinde. Die Runde geht weitläufig durch Felder und Wäldchen, meistens mit Blick in die South Downs und den Weald. Beschrieben ist sie im Pathfinder’s Guide. Es ist warm an diesem Tag und Sonne und Wolken zeichnen ein schönes Muster auf die Landschaft. Die Tour endet wieder in Alfriston, es ist Zeit zum Mittagessen und ein Kaffee wäre auch nicht schlecht.

Alfriston

Alfriston

In der Tat ist Alfriston ein sehr schönes Dorf mit Häusern aus dem 18. Jahrhundert, einem NT-Museum in einem alten Haus, einer recht mächtigen Kirche. Alles sehr gepflegt und herausgeputzt. Am Park an der Kirche ist ein kleines Cafe mit einer Art Biergarten, sehr leckerer Kuchen, warmes und kaltes Essen. Auf dem Rückweg noch einen Abstecher in Seaford in den Morrisons, aber die Suche nach Tee und Marmelade gestaltet sich in diesem Jahr etwas schwieriger.

Mittwoch, 22. Juli 2015: Rodmell, Monk’s House

Von den nicht wenigen Stellen, die in Besitz des NT sind, ist eine besonders bekannt. Es ist das damalige Wochenendhaus der Schriftstellerin Virginia Woolf, Monk’s House, das vollständig erhalten und zu besichtigen ist. Vor dieser Besichtigung ist aber noch eine Tour rund um Rodmell zu bewältigen: Walk #12 aus Walk! The South Downs.

Bei Southease

Bei Southease

Es ist wieder eine Runde durch Felder und Wäldchen, es geht eine ganze Zeit auf dem Damm des River Ouse entlang, durch ein Örtchen namens Southease. Touren im Inneren des Landes sind hier nie wirklich aufregend. Eher entspannend und nett. Vor langer Zeit war dieser Bereich des Flusses eine vielbefahrene Verbindung nach Norden, noch heute sind Reste von Hafenanlagen bei Southease zu sehen. Insgesamt zieht sich die Runde doch länger hin, es sind auch einige Höhenmeter zu machen, aber es ist nie richtig anstrengend. Am Ende kommt man wieder in Rodmell an, vorbei an einem Pferdehof und durch eine Ferienhaussiedlung.

Monks House, Rodmell

Monks House, Rodmell

Schließlich geht es zur kleinen Straße zurück, an der Monk’s House liegt. Kommt man in das Haus hinein, liegen tatsächlich noch Hüte und Zeitungen aus der Zeit auf den Tischen, Streichhölzer und Spielkarten aus der Zeit, als Virginia Woolf die Tage mit Freunden und Verwandten hier verbrachte. Alles ist noch da, ihr Schlafzimmer, ihr Pavillion mit dem Schreibtisch, an dem sie arbeitete. Selbst die Farben der Wände sind noch so, wie sie damals waren. Alles sehr authentisch, eben wie gerade erst verlassen. Der Garten von Monk’s House ist ebenso sehenswert, etwas verwinkelt und mit einer großen Wiese, auf der man sich niederlassen kann. Bei schönem Wetter ein wundervoller, fast magischer Ort.

In Rodmell gibt es nicht weit vom Monk’s House ein Pub mit Biergarten. Es gibt nicht nur Bier und Essen, sondern auch Kaffee und Kuchen, Pommes und Salat.

Donnerstag, 23. Juli 2015: Seven Sisters, Beachy Head

Seaford Lighthouse

Seaford Lighthouse

Diese oder ähnliche Touren finden sich in jedem Wanderführer für die South Downs. Das Wandern entlang der Küste, zu den Seven Sisters, ist Pflichtprogramm. Aber nicht nur. Es ist tatsächlich eine sehenswerte Gegend. Deshalb würde ich die Tour das nächste Mal nicht mehr am Wochenende machen, sondern in der Mitte der Woche, wenn die Zahl an Tagesausflüglern überschaubarer ist. Die kommen am Wochenende in Bussen aus London und sogar noch weiter aus den Metropolen, um am Wochenende etwas Land- und Seeluft zu schnuppern.

Beachy Head

Beachy Head

Die Tour beginnt für uns gut gelegen in Seaford, wo man entlang des Strandes kostenlos parken kann. Ein steiler Aufsteig führt auf die Höhe der Dünen, danach hat man einen weiten Ausblick auf Seaford bis nach Newhaven. Breite Rasenflächen und Bänke können je nach Fitness schon mal erste Pause nahe legen. Danach geht es zum ersten Zwischenschritt, dem alten Leuchtturm von Seaford, heute Ferienhaus und Cafe. Wie in einem Dünengebiet nicht anders zu erwarten, ist die Strecke ein dauerndes Auf und Ab. Belohnt mit Ausblicken über die Kreideküste und ins Inland hinein, mit den noch eher flachen östlichen Hügeln der South Downs. Nach dem Leuchturm geht es weiter oberhalb der Klippen, von denen man ruhig etwas respektvollen Abstand halten sollte. „A sheer drop“ nennen es die Engländer, wenn es steil in die Tiefe geht.

Beachy Head

Beachy Head

Die größte Fallhöhe erreicht man an dieser Stelle an Beachy Head, nicht weit hinter dem Leuchtturm. Diese Klippe ist beliebt bei Selbstmördern, die sich regelmäßig von hier in den Tod stürzen. Aber auch das Abstürzen mit Fahrrädern oder sogar mit dem Auto ist nicht selten. Dieser Weg verläuft nämlich nicht weit von der Landstraße an der Küste entlang. Tatsächlich ist diese Stelle die mit der höchsten Selbstmordrate in ganz Großbritannien. Obwohl es in Wales und Cornwall noch höhere Klippen gibt. Aber die erreicht man nur zu Fuß über längere Strecken. Langes Laufen ist bei den Briten nicht ganz so beliebt. Deshalb fährt man in diesen Fällen lieber zu Beachy Head. Mit dem Auto. Und wirft sich dann über die Klippe. Da sage einer, die Engländer seien nicht schrullig.

Seven Sisters

Seven Sisters

Schließlich kommt man zum Höhepunkt der Tour: die Kreideformation der Seven Sisters. Vor gar nicht so langer Zeit waren das mal Hügel an der Küste. Durch Erosion und ständiges Abbrechen von Material wurden daraus die heutigen Klippen, am Strand unterhalb der Abbrücke wird auch auf Schildern gewarnt, dass immer mal wieder Brocken von den Klippen herunter fallen. Hier ist auch der Wendepunkt der Tour. Unser Wanderführer empfiehlt nun eine Rückkehr über Wege im Inneren, woran uns nur weitgehend halten. Es ist eine Tour durch Dünen und über Felder, nicht aufregend, aber schön zu gehen und mit weniger Steigungen als der direkte Weg an den Klippen entlang. Ist man hier, wäre diese Tour unverzichtbar.

Die Tour Seaford – Seven Sisters ist nicht nur Pflichtprogramm, sondern wirklich eine der schönsten Touren an der Küste entlang. Nicht übermäßig anstrengend, aber mit wundervollen Ausblicken über die Küstenlinie und ins Inland hinein. Mit dem Start in Seaford ist dann auch die Versorgung mit Essen und Trinken vor oder nach der Tour gesichert.

Freitag, 24. Juli 2015: The Stack (again)

Die Operation Stack dauert an. Also die Autobahn Richtung Dover meiden. Über Landstraßen spart man zwar einige Kilometer Strecke, aber es dauert eben. Wieder durch Hastings und weiter an der Küste möglichst bis hinter Folkestone. Ich mache den Fehler und folge nicht meinem Bauchgefühl und biege hinter Battle den Wegweisern folgend nach Folkestone ab. Prompt bleiben wir nicht auf der Küstenstraße, sondern landen kurz vor Folkestone auf der M20. Die ist eben gesperrt, in langen Staus kriechen wir auf den Landstraßen Richtung Dover, kommen hinter Folkestone doch wieder auf die freie A20. Über eine Stunde Zeitverlust. Macht nix, die Fähre hat zwei Stunden Verspätung.

Das wird heute nichts mehr mit der Rückfahrt nach Paderborn. Eine zusätzliche Übernachtung in Antwerpen. Auch nicht schlecht, noch eine Pause in einer der schönsten belgischen Städte.

Lessons learned: The East and the West

Würde ich noch einmal in die South Downs fahren wollen, würde ich mich immer für den Westen entscheiden. Der Westen ist ländlicher, hügeliger, kuscheliger. Southampton hat keinen Einfluss auf die Gegend wie Brighton und Eastbourne im Osten. Fast keine Industrie im Westen, die Dörfer sind kleiner und noch gepflegter, es gibt ausgedehnte Waldflächen. Dann lieber auf den Touren mehr Selbstverpflegung und gelegentlich für einen Kaffee und ein Cookie nach Petersfield oder Hinton Ampner in das NT-Bistro. Und muss es mal ein bisschen Stadt sein, zum Shoppen oder Flanieren, sind Winchester und Chichester völlig ausreichend.

Auch die Touren im Westen sind deutlich interessanter und abwechlungsreicher. Im Osten finden sich nicht die vielen Pferdehöfe, Farmen und wunderschönen Dörfer in der Menge wie im Westen. Worauf man im Westen verzichten muss, sind die großartigen Küstenabschnitte. Aber an der Küste zu wandern ist eben begrenzt. Den Osten würde ich nicht als nicht sehenswert bezeichnen. Aber der Erholungswert des Westens ist eben größer. Es ist schlichtweg die schönere Landschaft.

Alle Bilder, unsorted, unpaid for …